Kategorie: Allgemein

Wir segeln!

Wir segeln!

Michi
Wir beschlossen, für ein paar Tage um die Insel zu segeln und verließen am nächsten Morgen das Hafenbecken durch die geöffnete Zugbrücke. Endlich wieder segeln – wir freuten uns schon. Wir hatten mit ca 25 Knoten einen schönen Segelwind, Sonne und nur kleine Wellen. „It`s champagner-sailing“ sagte Simon. Wir waren schon gespannt, wie sich die Princess segeln lässt. Simon hatte uns schon gewarnt: alles ist groß und stark auf diesem Schiff. Die Winschen, mit denen die Genuaschoten bedient werden, sind, verglichen mit denen der Aton, riesig. Und die Schoten, also die Leinen, die das Vorsegel seitlich führen, sind ungefähr doppelt so dick als unsere. Und da jedes Schiff ein bisschen anders ist, war es sinnvoll, ein bisschen zu üben. Bei einer Wende muss das Vorsegel von einer Seite des Schiffs auf die andere gezogen werden. Und da das Segel voll im Winddruck steht, ist unheimlich viel Spannung auf den Schoten. Während das Schiff also die Richtung zum Wind so ändert, dass dieser auf der anderen Schiffseite in die Genua bläst, wird die Genuaschot auf der einen Seite „aufgeschmissen“, also von der Winsch, die sie hält, gelöst. Auf der anderen Seite wird die Genua mit der Schot herübergezogen und dann dort auf der Winsch festgemacht. Ich hatte die Aufgabe, die Schot aufzuschmeißen. Simon wollte, dass ich diese mit einer Hand schon einmal von der Winsch löse, während ich mit der anderen auf die Rolle der Winsch drücke und so verhindere, dass die Schot sofort „durchgeht“. Diese Technik kannten wir bisher noch nicht. Ich drückte wohl irgendwie nicht richtig und schon war es geschehen: sssssssssssss machte es und die Leine wurde mir aus den Händen gerissen und peitschte wie wild lose im Wind. Franz half mir, sie wieder auf die Winsch zu belegen und ich war mit einem riesen Schreck davongekommen. Gottseidank hatte ich vorher noch meine ledernen Segel-Handschuhe angezogen.

Der zweite Versuch klappte dann und wir übten die Wenden noch mehrere Male. Dann passierte Rachel am Steuerrad noch ein Fehler und der Wind, der gerade von hinten blies, schlug den Baum unkontrolliert mit einem lauten Schlag auf die andere Seite (eine sogenannte Patent-Halse). Das war ihnen lange nicht mehr passiert, versicherten sie uns. Wir sicherten den Baum nun mit einer Leine und genossen den restlichen Nachmittag ohne weitere Vorkommnisse. Das war schon Aufregung genug. Mein Respekt vor den Riesen-Winschen war nicht kleiner geworden, aber es half nichts. Wir wollten in den nächsten Tagen noch fleißig üben, bevor wir uns auf den Atlantik wagen würden.

Der erste Proviant-Einkauf

Der erste Proviant-Einkauf

Den nächsten Tag nutzten wir, um uns noch einmal die Beine zu vertreten. Wir Mädels machten eine kleine Wanderung auf einen Berg, an dessen Spitze eine Radio-Station weithin sichtbar war. Die Bewegung tat uns gut und es erwartete uns ein schöner Aussichtspunkt. Ganz unten sahen wir sogar die Princess Arguella in der Marina liegen.

Anschließend machten wir unseren ersten größeren Einkauf für die Überfahrt. Da Rachel schon relativ viele Lebensmittel an Bord hat, müssen wir diese „nur“ noch ergänzen und kamen mit zwei großen, vollen Einkaufswägen zurück. Der Supermarkt bot uns netterweise einen Taxi-Service zur Marina an, denn wir hatten unseren Leihwagen ja bereits zurückgegeben.

Nun standen wir vor der Herausforderung, all das in die Tiefen der Princess zu verstauen. Glücklicherweise gibt es dort weit mehr und besser zugänglichen Stauraum als auf Aton. So werden wir auf See nicht pausenlos alles aus- und wieder einräumen müssen, wenn wir etwas brauchen. Sehr angenehm. Und wundersamer Weise fand auch dieses Mal alles irgendwo einen Platz. Jetzt müssen wir nur noch alles wiederfinden, wenn wir es brauchen; Rachel schrieb deswegen akribisch alles auf. Die frischen und gefrorenen Lebensmittel wollten wir ganz kurz vor dem Auslaufen besorgen. Franz und Simon bastelten derweil an verschiedenen Kleinigkeiten herum, die noch zu tun waren.

Nachmittags bekam Simon dann endlich die Tracking-Nummer, um den Versand des Autopiloten zu verfolgen. Er sollte erst am Donnerstag, den 20.05. kommen! Das war noch eine Woche; und wir waren jetzt schon eineinhalb Wochen hier. Aber andererseits hatte sich das Wetter auch noch nicht geändert und wir konnten eh noch nicht los. Ich fügte mich meinem Schicksal; was sollte ich sonst auch machen?

Geduld, Geduld

Geduld, Geduld

Die Entscheidung, wie wir mit unserem Autopilot weitermachen, wurde uns am Abend sehr leicht gemacht. Simon beobachtete ständig die Wettermeldungen. Mit seinem Programm konnte er die geplante Route berechnen und es wurden, je nach priorisierten Parametern wie die schnellste, sicherste, bequemste oder spritsparendste Route, Vorschläge gemacht. Uns fiel allen das Gesicht herunter, als wir ein riesiges Sturm-Gebiet und gleichzeitig große Flauten-Gebiete sahen. Die vorgeschlagenen Routen verliefen alle sehr weit nördlich. Bis auf die Höhe von Kanada und dann, fast auf der Nordroute, Richtung Osten zu den Azoren, mit einer Ankunftszeit Ende Juni!

Das war erstens ein riesiger Umweg, zweitens war es da ziemlich kalt und drittens sowieso absolut unmöglich, denn sogar im Spritspar-Modus mussten wir ca. 9 Tage aus dem Flautengebiet motoren – wir hatten aber nur Diesel für ca 3 Tage! Zwar war so eine Voraussage natürlich nur ca. 10 Tage lang relativ sicher, aber dieses Risiko wollte keiner von uns eingehen. So beschlossen wir, noch einige Tage zu warten und während dessen zu versuchen, einen neuen Autopilot zu besorgen, denn die Reparatur des kaputten war auch keine gute Lösung.

Am nächsten Morgen stellte sich heraus, dass  es auf Sint Maarten zwar einen Raymarin-Händler gab, dieser aber das Modell nicht vorrätig hatte. Simon versuchte es über den after-sales-service von Oyster in England, die ihm immer schnell und zuverlässig geholfen hatten. Tatsächlich war Raymarin von dort nur ca. 10 km entfernt und sie versprachen, das Gerät so schnell wie möglich loszuschicken. Wir rechneten mit ca. einer Woche Lieferzeit und allen, außer mir, war die Verzögerung relativ wurscht. Franz war ja zeitlich total ungebunden, Simon und Rachel auch, und Reni hatte ihre Steuerkanzlei so gut organisiert, dass man sie ohnehin erst frühestens Ende Juni wieder erwartete. Ich dagegen war ja erst mal froh, dass ich überhaupt mehrere Wochen frei bekommen hatte und wollte das nicht zu sehr ausreizen. Möglicherweise jedoch kamen meine Kollegen aber ja auch sehr gut ohne mich zurecht? Vielleicht sagten sie sogar: „Nanu, Du bist schon wieder da? Damit hätten wir  noch gar nicht gerechnet?“. Und vielleicht, so dachte ich mir, vielleicht sollte ich einfach lernen, geduldiger zu sein. Man konnte seine Tage ja auch schlechter verbringen, als auf einem schönen Segelschiff in Sint Maarten, oder?

Die Princess ist da

Die Princess ist da

Am Samstag Morgen kam dann endlich die ersehnte Nachricht von der Princess: sie waren gut vorangekommen, zwar vollkommen erschöpft, aber wohlauf. Die geplante Ankunft in der Marina war Sonntag um  9.30 Uhr. Das war ja schon mal was. Wir verbrachten einen gemütlichen Tag in unserem Appartement und am Pool und freuten uns schon, die beiden am nächsten Tag zu begrüßen. Das letzte Mal, als ich sie gesehen hatte, war der Weihnachtsabend 2019 gewesen, den wir in Bequia, zusammen mit Wendy und John, auf der Princess verbracht hatten. Gleich am nächsten Morgen segelten wir damals weiter nach St. Lucia, wo wir Reni abholten. Sie war zwar schon zweimal auf der Royal Clipper (das größte Segelschiff der Welt) gefahren, einmal sogar von Ost nach West über den Atlantik.

Sie hatte aber noch keine Segelerfahrung auf einem kleinen Schiff wie der Aton. Es gefiel ihr letztendlich so gut, dass sie segeln lernen wollte und unbedingt bei diesem besonderen Törn dabei sein wollte.  Wir kannten uns als ehemalige Arbeitskollegen schon gut 30 Jahre und hatten schon Einiges zusammen erlebt. Wir wussten, dass sie, wenn sie etwas so bedingungslos wollte, alles dafür tun würde und konnten uns sehr gut vorstellen, dass sie prima in unsere Crew passen würde. Wir sprachen mit ihr natürlich schon auch darüber, dass es nicht unbedingt immer spaßig ist, die dauernden, mehr oder weniger heftigen Schiffsbewegungen und -Geräusche zu erdulden, dass es auf dieser Passage teilweise sowohl absolut keinen, als auch sehr stürmischen Wind haben kann und dass wir komplett auf uns gestellt sein werden, aber sie ließ sich nicht abschrecken. So kenn ich sie halt: eine starke und mutige Frau mit Lust auf ein großes Abenteuer.

Als wir am Sonntag Morgen in der Marina waren, fuhr Franz in einem Tender zusammen mit einer Marina-Angestellten zur Hebebrücke hinaus, durch die unsere Freunde bei der nächsten Öffnung ins Hafenbecken einfahren sollten. Er ging außerhalb der Brück an Bord der Princess, um sich beim Einfahren das ominöse Geräusch des Motors anzuhören. Reni und ich standen am Kai der Marina und beobachteten, wie nacheinander drei Boote einfuhren und dann die Brück wieder geschlossen wurde. Leider war die Princess nicht dabei; statt dessen kam das Schlauchboot der Marina wieder hereingefahren mit einer sehr wütenden Fahrerin. „Das ist unglaublich“ sagte sie uns, „der Brückenwärter hat einfach, 100 m vor die Princess an der Brücke war, wieder geschlossen, obwohl der Captain und  er per Funk verbunden waren. So eine Frechheit! Jetzt muss das Schiff bis Nachmittag um 15.oo Uhr auf die nächste Öffnung warten!“. Es blieb uns nichts anderes übrig, als zurück zum Appartement zu fahren und nachmittags wieder  zu kommen.

Dieses Mal klappte es aber. Die Princess mit einer total erschöpften, aber glücklichen Rachel legte an und wir begrüßten uns erst einmal. „Ich konnte das Ruder nicht eine Sekunde auslassen, um am Handy eine Taste zu drücken.“ erzählte sie uns. Sie waren einfach nur froh, es erst einmal geschafft zu haben. Das Propeller-Geräusch (wahrscheinlich eine aufgeschnappte Leine, die um den Propeller gewickelt war) hatte sich in Luft aufgelöst (das heißt, was immer es war, es hängt nicht mehr am Propeller); der Autopilot jedoch machte uns allen Bauchschmerzen.  Ohne diesen war es völlig undenkbar, los zu segeln. Wir nahmen die beiden mit zu uns und hatten einen schönen Abend.

Am nächsten Tag wollten Reni  und ich die arme Rachel ein bisschen verwöhnen und gleichzeitig den Männern Zeit und Raum geben, sich um den Autopilot zu kümmern. Gottseidank hatten wir auf Aton einen zwar schwächeren, aber baugleichen. Er hatte diesen bereits aus- und an anderer Stelle wieder eingebaut und kannte ihn deswegen sehr gut. Die Princess hatte zwei davon; einer zieht und einer schiebt. Ergebnis dieses Tages war eine glückliche, sehr entspannte Rachel und die Erkenntnis, dass einer der beiden Autopiloten  blockiert und somit den anderen ebenfalls. Nun konnten wir entweder einen deaktivieren und das Risiko auf uns nehmen, nur mit einem zu fahren, oder den kaputten versuchen, zu reparieren, oder einen komplett neuen besorgen.

 

Eine schlechte Nachricht

Eine schlechte Nachricht

Am nächsten Morgen waren wir ziemlich frustriert: Simon und Rachel hatten eine Nachricht geschickt, dass der Autopilot, der ein Schiff selbständig steuert, ausgefallen sei. Sie mussten nun ununterbrochen am Ruder stehen und hatten zudem noch richtig viel Wind. Außerdem hatten sie ein klopfendes Geräusch, sobald der Motor eingeschaltet war. Sie liefen Guadeloupe an und Rachel tauchte unter das Schiff, fand aber nichts, was sich evtl. im Propeller verfangen hätte. Nachdem sie einige Stunden geschlafen hatten, segelten sie weiter. Leider konnten wir sie nicht erreichen und warteten nun nervös auf Neuigkeiten. Wir wussten, dass er von Jemandem in Grenada einen Autopilot-Service durchführen hatte lassen, aber wir kannten auch die Qualitäten der hiesigen Handwerker. Da wird immer viel versprochen und im Endeffekt wenig gemacht. Was sind wir froh, dass Franz fast alles auf dem Schiff selbst machen kann.

Derweil machten wir eine Insel-Rundfahrt. Sint Maarten hat einen niederländischen und einen französischen Teil (Saint Martin) und ist aufgrund der fehlenden Mehrwertsteuer (eine Subventions-Variante der jeweiligen Regierungen) eine weitbekannte Anlaufstelle für Bootsbesitzer, um unter anderem Ersatzteile günstig  zu erstehen. Auch als gut zu erreichendes und relativ günstiges Urlaubsziel, vor allem für Amerikaner, Niederländer, Franzosen und Engländer ist es sehr beliebt. Deswegen gibt es relativ viele Hotels, Casinos, Restaurants und Bespaßungs-Einrichtungen, wie Wasser-Scooter-Verleihe, oder eine Zipp-Line, an der man sich an einer Leine hängend den Berghang hinunterstürzt . In den paar größeren Orten und auch an so manchem eigentlich schönem Strand verunstalten diverse Hotel-Hochhäuser die Landschaft schmerzlich. Wir sahen einige Touristen, die in einer Quad-Gruppe rumfuhren, aber ansonsten lag, wie schon beschrieben, die Tourismus-Branche ziemlich am Boden. Da ohnehin unglaublich viele Einheimische hier unterwegs sind und die Straßen verstopfen, möchte ich nicht wissen, wie das ist,  wenn auch noch Touris dazukommen. Erwähnenswert ist auch der Flughafen, der wegen der extrem kurzen Start- und Landebahn direkt an den Strand und ein Wohngebiet grenzt. Es kursieren überall Bilder im Netz, auf denen der Flieger zum Greifen nahe über die Köpfe der Strandbesucher und gefährlich nah an einem Hochhaus vorbei zum Landen ansetzt. Das Ganze ist natürlich auch noch ohrenbetäubend laut und insgesamt hat man immer das Gefühl „nine-eleven“ kehrt zurück.
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Es geht los

Es geht los

Es war beeindruckend zu sehen, wie lang die Strecke war, die das Flugzeug über den Atlantik zurücklegte. Natürlich, wir hatten den Atlantik schon zig mal überflogen, aber dieses Mal sahen wir ihn mit anderen Augen. Diese Strecke sollten wir schon bald mit einem kleinen Segelboot zurücklegen?  Das war irgendwie unvorstellbar. So viel Wasser – und sonst einfach gar nichts. Manchmal bekam ich Angst vor meinem eigenen Mut, 3000 Seemeilen über offenen Ozean zu segeln.

Nach einem sonst angenehmen Flug landeten wir auf der berüchtigt kurzen Landebahn in Sint Maarten. Ohne den Badenden am Strand die Köpfe zu rasieren, in das Hochhaus am Anfang der Bahn zu krachen, oder mit unseren Tragflächen die Autos  am Rand der Landebahn zu fegen, setzten wir auf. Glück gehabt. Beim Aussteigen schlug uns eine feucht-warme Wand entgegen und sofort hatten wir ein bisschen das Gefühl, zurück nach Hause zu kommen. Schade, dass wir unsere Aton nicht sehen werden. Wir vermissen sie. Wir checkten in unser Appartement ein. Es war großzügig geschnitten und man hatte vom riesigen Balkon aus eine schöne Aussicht auf das gegenüber liegende Inlet und die schöne Pool-Anlage, die fast immer menschenleer war. Im geschäftigen Ortskern ließen wir den Abend noch in einer kleinen Bar ausklingen.

Zwar spielte sich hier ohnehin alles draußen und mit Abstand ab, aber die Maskenpflicht nahmen die Leute nicht allzu ernst. Wir hielten unsererseits stets Abstand und beschlossen, uns am nächsten Tag beim hiesigen Impfzentrum nach übrig gebliebenen Impfdosen zu erkundigen.

Am nächsten Tag segelten Simon und Rachel frümorgens aus Grenada los und wir erwarteten sie spätestens am  Sonntag in der Marina Yacht Club Port de Plaisance. Da es mein Geburtstag war, genoss ich es besonders, mit leckerem, exotischen Obst und anderen Köstlichkeiten zum Frühstück in so einer schönen Umgebung von Reni und Franz verwöhnt zu werden. Ich fühlte mich wie in einem Kitschroman, als nach einem Regenschauer auch noch ein wunderschöner Regenbogen entstand.

Wir mieteten  uns ein Auto und kauften für die ersten Tage ein. Dann fuhren wir an einen schönen Strand, der menschenleer war. Die allermeisten Stände, Restaurants und Geschäfte hatten geschlossen und die Einheimischen hatten kein Einkommen. Wir sahen drei Kreuzfahrtschiffe und fragten nach: sie waren leer und bis auf  Weiteres hier schlicht geparkt worden. Wieder einmal wurde uns bewusst, welches Glück wir hatten, in einem reichen Land zu leben und wie undankbar manche Menschen sind, die ständig nur jammerten.

Das Impfzentrum war schwer zu finden; es lag direkt neben dem Hospital, das jedoch überhaupt nicht ausgeschildert war. Wir hatten großes Glück, denn als es am Nachmittag geschlossen wurde, waren tatsächlich zwei Dosen übrig. Das Impfteam war supernett. Sie bedauerten nur, dass wir am Tag vorher nicht da waren, denn da wurden vier Dosen vernichtet. Reni und ich bekamen also hier unsere zweite Impfung und Franz am nächsten Tag. Jetzt waren wir wesentlich entspannter, denn mitten auf dem Atlantik möchte natürlich keiner Corona haben.

Abends gingen wir noch in Grand Case schön essen und genossen die Wärme, einen sehr guten Wein, das leckere Essen und einen kitschigen Sonnenuntergang. Langsam, aber sicher konnten wir nun realisieren, dass wir tatsächlich hier sind. Einige Tarpune (sehr beeindruckende, große Fische) schwammen, angelockt vom Licht, direkt vor uns im seichten Wasser herum und einheimische Kinder spielten im weißen Sand. Wir fanden, das hatten wir uns verdient.

Die Vorbereitungen

Die Vorbereitungen

Michi

Sofort fingen wir an, nach Flügen zu suchen und fanden einen über New York mit einer Zwischenübernachtung. Aber kaum hatten wir eine Unterkunft in Flughafennähe gefunden, sahen wir, dass es für Schengen-Staats-Angehörige nicht möglich war, auch nur im Transit (also auch wenn wir das Flughafengebäude gar nicht verlassen) durch die USA zu reisen. Dann fanden wir einen Flug über Toronto, bei dem wir 16 Stunden (!) Aufenthalt im Flughafen hatten. Mangels Alternativen buchten wir ihn zähneknirschend. Franz sollte schon eine Woche früher nach Grenada fliegen, um nach der dort vorgeschriebenen Quarantäne von 7 Tagen in einer vorbestimmten Unterkunft die Zeit zu nutzen, um auf der Nachbarinsel Carriacou nach Aton zu sehen. Simon gab schon mal seine  Ersatzteil-Bestellung durch, für Teile, die Franz mitbringen sollte. In den nächsten Tagen wurde zuerst Franz`, dann auch Reni`s und mein Flug plötzlich storniert. Wegen steigender Corona-Zahlen wurden die kanadischen Grenzen von heute auf morgen geschlossen. Also fing die Suche wieder von vorne an. Nach Grenada gingen keine anderen Flüge mehr, also dann eine andere Insel. Die französischen vielen weg, weil es für Simon und Rachel als Brexit-Engländer zu schwierig war, dort einzuklarieren. Vielleicht nach Sint Maarten? Dort, ergaben unsere Nachforschungen, müssten wir nur einen PCR-Test vorlegen und auf Simon und Rachel warten, die nach ihrer zweiten Impfung in Grenada raufsegeln wollten. Wir fanden auch einen Flug über Amsterdam, und schon war er gebucht. Franz war wieder einmal unser Retter, weil er Zeit hatte, sich um all die Dinge zu kümmern, die wir jetzt noch regeln mussten, während Reni und ich versuchten, unsere Arbeit fertig zu bekommen.

Dann der nächste Schock: Ausgangssperre bis 5 Uhr früh, auch für Shuttle-Fahrten zu touristisch begründeten Flügen. Wie soll das gehen, wenn wir um 5 Uhr schon am Flughafen sein sollen, da wir um 7 Uhr losfliegen? Wirklich touristisch war unsere Veranlassung ja aber auch wieder nicht. Wir fragten Simon und er schickte uns ein offizielles Schreiben, dass wir seine dringend benötigte Crew sind, die ihm zu Hilfe kommt.

Coronatechnisch mussten wir einen PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunden sein durfte, vorweisen. Plus ein Formular der Regierung von Sint Maarten online ausfüllen, in dem wir das Test-Ergebnis hochladen mussten, das auch wiederum bis zu 48 Stunden auf sich warten lassen kann. Die Bearbeitung dieses Formulars kann auch bis zu 12 Stunden dauern, und im Moment des Eincheckens sollten wir dann alles parat haben. Sportlich, bei diesm knappen Zeitfenster durfte nichts schiefgehen.

Simon wartete unterdessen auf ein schon ewig bestelltes Ersatzteil für seinen Generator, das in Puerto Rico hängen geblieben war. Zufällig hatte ein anderer Segler das exakt gleiche Teil auch bestellt und bekommen, und trat ihm dieses ab, da er keine Zeitnot hatte.

Als der Vulkan in St. Vincent ausbrach und die ganze Gegend in eine Rauch- und Aschewolke hüllte, waren wir froh, dass der Toronto-Flug nicht geklappt hatte, denn jetzt flog keine Fluglinie mehr nach Grenada. Tja, da stellte sich mal wieder heraus, dass alles so kommt, wie es soll, gell?

Reni und ich rödelten wie die Irren im Büro, auch am Wochenende und feiertags. Wir arbeiteten alle unsere Arzt-Termine ab und Franz kümmerte sich um all die Ersatzteile, Medikamente und Dinge, die wir sonst noch so brauchten. Nach und nach kam der Abflugtag immer näher und wir hatten ständig das Gefühl, dass der vor uns liegende Berg irgendwie nicht kleiner wird. Wir mussten oft an 2018 denken, als wir Deutschland nicht nur für einige Wochen, sondern auf unbestimmte Zeit verlassen hatten. Unglaublich, was wir da in der Vorbereitung alles erledigt und geschafft hatten.

Simon und Rachel arbeiteten genauso hart. Rachel machte Inventur und erstellte ellenlange Excel-Listen mit den vorhandenen Medikamenten und Lebensmitteln. Wir überlegten uns Gerichte für leichte, mittlere und schwere Wetterlagen und erstellten einen Einkaufsplan. Das war für 5 Personen und ca. 4 Wochen schon herausfordernd. Gut, dass die beiden das auf der Route Kanaren – Karibik schon einmal gemacht hatten und ein bisschen Erfahrung hatten.

Simon kümmerte sich um die möglichen Routen und checkte die Hauptwetter-Bedingungen. Er ließ die Princess durchchecken: das Rigg (also die Aufbauten), den Autopilot (der uns über die meiste Zeit steuern sollte), und die Hauptmaschine wurden geservicet, der Generator mit dem glücklich erstandenen Ersatzteil repariert und alle Systeme und auch vor allem die Sicherheits-Ausrüstung geprüft. Das ist die Rettungs-Insel, die erst vor kurzem überholt wurde:

Immer wieder wurde alles aufgerissen und wieder eingeräumt – wir wussten genau, wie das abläuft und wie viel Arbeit das war.

Dann der nächste Schock: Reni`s Papa wurde mit einen Zucker-Schock und leichtem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Es sah gar nicht gut aus und man konnte ihn natürlich nicht besuchen. Wieder war ein großes Fragezeigen aufgetaucht und uns blieb nichts übrig, als erstmal abzuwarten. In den folgenden Tagen ging es ihm langsam wieder besser und Reni beschloss, auf jeden Fall mit zu segeln. Am letzten Tag vor unserem Abflug wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und Reni konnte ihn noch einmal besuchen.

Am Tag vor unserem Abflug wurden Reni die Bordkarten für den Kanada-Flug zugesandt! Häh? Der wurde doch storniert!!?? Wir waren ratlos.  Wir suchten die Mail heraus, in der uns die Absage des Flugs mitgeteilt worden war und fragten nach. Der vorher stornierte Teilflug von Toronto nach Grenada wurde spontan wieder aufgenommen und man hatte leider versäumt, uns davon in Kenntnis zu setzen. Wir waren sprachlos über diesen nicht vorhandenen Service von Opodo und die nicht unerheblichen Storno-Kosten, die sie zudem auch noch verlangten.

Zwei Tage vor Abflug machten wir den vorgeschriebenen PCR-Test und kümmerten uns um das benötigte Gesundheits-Formular für den check-in.  Einen Tag vor Abflug war ich mittags endlich mit meiner Arbeit durch und hatte dann noch einen kurzen geschäftlichen Termin. Welche Erleichterung, dass ich nun alles geschafft hatte. Wir machten alle drei sicherheitshalber noch einen Schnelltest und packten die letzten Dinge ein.

Dann war es endlich soweit. Unser Shuttle holte uns und Reni ab und wir erreichten ohne Kontrolle den Flughafen. Dank unserer akribischen Vorbereitung hatten wir alle benötigten Formulare parat und das Einchecken war kein Problem. Unbeschreiblich, welcher Druck jetzt von uns abfiel. Wir hatten das unsrige getan; jetzt konnte das Abenteuer beginnen.

Unsere Gastgeber

Unsere Gastgeber

Princess Arguella

Unsere Gastgeber, das englische Paar Simon und Rachel hatten, nachdem sie bereits einige andere Segel-Yachten besessen hatten, mit denen sie hauptsächlich in England und im Mittelmeer gesegelt waren, die Princess Arguella gekauft. Die Princess ist eine 55 Fuß (also ca. 18 m) lange Segel-Yacht der Marke Oyster. Das ist eine Edelmarke, vergleichbar mit dem Bentley in der Automobil-Branche (sagt Franz). Ein schönes, schnelles und seegängiges Schiff mit Platz für bis zu 8 Personen. Mit ihren 25 Jahren ist es nur zwei Jahre jünger als unsere Aton, aber super gepflegt und sehr  gut in Schuss.

Im Interview-Stil beschreiben die beiden auf ihrer Webseite https://sailingprincessarguella.co.uk die Princess und sich selbst so:

DAS SCHIFF

Was für ein Boot ist sie?

Princess Arguella ist eine Oyster 55, ein klassisches Holman and Pye-Design aus Ipswich (Hull 40). Als Cutter Rig mit In-Mast-Rolling können alle Segel vom mittleren Cockpit aus gesteuert werden. Es können 8 Personen in vier Kabinen schlafen und sie ist mit einer Klimaanlage, einem Wassermacher und einem Perkins M90-Motor mit 85 PS sowie einem 6-kW-Generator ausgestattet.

Warum hast du sie gekauft?

Weil ich ein Bett wollte, in das ich von der Seite kommen konnte. Die Oyster 55 verfügt über eine Master-Achterkabine mit einem geräumigen Doppelbett, sodass wir zu beiden Seiten ein- und aussteigen können, ohne Bootsyoga zu machen.

Was ist ihr Segelplan?

Sie hat zwei Genua (eines neu, eines alt), ein Rollsegel und ein Stehsegel. Für leichtes Segeln bei Wind haben wir eine Kreuzfahrtrutsche. Für die Atlantiküberquerung planen wir, zwei Genua auf dem Vorstag aufzurüsten und mit zwei Abwindsegeln zu segeln.

Welche Upgrades hast du vorgenommen?

Neue Segel von Kemp (Genua, Segel bleiben und Haupt), neue Bimini und Spritzhaube mit Seitenwänden, Motorüberholung, Generator komplett gewartet, neuer Ladegerät-Wechselrichter installiert, neue Lauf-Takelage, Kettenplatten ersetzt, din Rumpf mit Gel  5-fach beschichtet und epoxidbeschichtet, neuer 55-Kilo-Rocna-Anker, neue Edelstahlverstärkung des Rudergehäuses, montierter AIS-Transponder und -Empfänger, Limousinen- und Kabinenbeleuchtung durch LED-Leuchten ersetzt, LED-Navigationsleuchten installiert, Autopilot gewartet, neuer maßgeschneiderter Vorratsbehälter installiert, neue AGM Batteriebank und Starterbatterie und noch mehr!

Was sind ihre Stärken und Schwächen?

Dieses Boot dient seit Jahren als Medizinboot im geschütztesten Teil des Ionischen Meeres und obwohl es sehr angenehm ist, durch die Buchten zu fahren, ist es für das Segeln auf dem Meer gebaut. Sie lässt sich nicht leicht nach achtern (also rückwärts) steuern und es ist schwierig, mit einer Brise am Bug in die Liegeplätze des Yachthafens zurückzufahren, da Ruder und Kiel am Skeg hängen. Sie verfolgt jedoch wunderschön jede Art von Dünung und ist ein echtes Kreuzfahrtboot im Blauwasser, das bei jedem Wetter bequem und sicher ist. Sie ermöglicht ein bequemes Bootsleben, ist geräumig, hat großzügige Schließfächer, insbesondere dem Lazarette, dem großen Schließfach am Heck.

Wo hast du vor, sie zu segeln?

Von Korfu nach Gibraltar im Sommer 2018, dann auf die Kanaren zum Atlantic Rally Crossing Plus und Zwischenstopps auf Kap Verde, bevor wir die lange Reise über den Atlantik nach St. Lucia in der Karibik unternehmen. Danach haben wir keine konkreten Pläne, werden aber wahrscheinlich die karibische Inselkette hinaufkreuzen, um im Sommer 2019 über den Atlantik nach Europa zurückzukehren.

DIE CREW

Der Skipper

Simon Coates-Walker segelt seit seiner Kindheit mit seinem Vater Ronnie. Tatsächlich war eine seiner frühesten Erinnerungen, dass sein Vater eine Pinne in seine Hände legte und ihm sagte: „Hier, halt das“. Mit achtzehn Jahren machte er seinen Abschluss als Yacht Master Offshore-Theoretiker, einer der jüngsten Menschen in Großbritannien, der dies zu dieser Zeit tat. In jüngerer Zeit war er Eigentümer und Skipper von Thursday Island, einer Benetteau Oceanis 381, die er jeden Sommer um die Solent herumführte, wo sie aufbewahrt wurde, und über den Kanal nach Nordfrankreich, auf die Kanalinseln und in die Bretagne. Er hatte den Traum, ein Jahr Pause (oder länger) zu machen und ernsthaft in Klimazonen zu segeln, in denen nur ein T-Shirt erforderlich ist (falls dies der Fall ist). Nachdem er beinahe eine Northwind 56 und einen Contest 48 gekauft hatte, kaufte er im Juni 2017 Prinzessin Arguella, eine Oyster 55 auf Korfu. Dann begann das umfangreiche Projekt, das Boot für ein Leben an Bord vor Anker vorzubereiten. Er genießt es, neue Leute aus allen Lebensbereichen kennenzulernen und neue Fähigkeiten zu erlernen (zum Glück!)

Der Co-Skipper

Rachel Parker segelt seit sie Simon vor über zehn Jahren getroffen hat. Sie wurde zuerst mit Auslandsferien in der Türkei und in Antigua zum Segeln überredet, segelte bei Sun Sail und dann auf Thursday Island. Sie weist gerne darauf hin, dass sie mehr Qualifikationen als der Skipper hat, da Simon nie seine Papierarbeit gemacht hat, um seine Yacht Master Practical Prüfung zu erhalten! Für die Yachthäfen, die das internationale Kompetenzzertifikat benötigen, wird sie zum Skipper befördert. Sie genießt das Leben im Freien und ist begeistert von diesem einmaligen Abenteuer!

Unser neues Abenteuer

Unser neues Abenteuer

Michi

Seit unserer Rückkehr in ein „normales“ Leben im Juni 2020 haben wir natürlich nie aufgehört, an eine Fortführung unserer Aton-Reise zu denken. Die nicht besser werdende Situation mit meinen Eltern und die auf- und ab schwappenden Corona-Wellen machten es uns aber nicht leicht, eine Entscheidung zu fällen. Sollen wir unser Schiff verkaufen? Angesichts der Reise-Einschränkungen wegen Corona in der Karibik und auf der ganzen Welt wird dies momentan aber wahrscheinlich schwierig werden. Wer kauft schon ein seegängiges Schiff, das für große Fahrt ausgestattet ist, und kann dann nicht reisen? Sollen wir Aton nach Europa holen? Das hätte auch seine Reize, schließlich gibt es hier auch sehr schöne Segelgebiete, wie z. B. Irland, England, Norwegen, die Ostsee-Runde und natürlich das Mittelmeer mit all seinen Anlieger-Staaten und Inseln. Da wären wir dann zur Not auch schnell wieder zuhause. Mal sehen – wir lassen uns mit dieser Entscheidung noch Zeit und sehen, wie sich alles entwickelt.

In der Zwischenzeit ging ich fleißig arbeiten und Franz hielt mir im Haushalt und bei der Senioren-Betreuung den Rücken frei. Oft sprachen wir über unsere wunderschönen Erinnerungen und aufregenden Erlebnisse unserer Reise. Nichtsdestotrotz waren wir aber auch sehr glücklich, dass wir in Deutschland waren. Unsere Freunde, die mit ihren Schiffen in der Karibik geblieben waren, warteten dort mehr oder weniger untätig, bis sich die Lage wieder soweit besserte und eine Weiterreise wieder unkompliziert möglich sein wird. Nur John und Wendy waren, nachdem sie ihre Headway in Grenada sicher an einer Boje zurückgelassen hatten, im Herbst zurück nach Südafrika geflogen. Gerade noch rechtzeitig zur Geburt ihres ersten Enkels. Bei unseren regelmäßigen Telefonaten teilten sie uns ihre Entscheidung mit, dass sie diesen Sommer noch zu Hause bleiben wollten, und dann evtl. im Herbst wieder zurück in die Karibik fliegen wollten, falls sich die Lage bis dahin entspannt hat.

Auch mit Simon und Rachel, die wir wie die meisten unserer Freunde in Trinidad getroffen hatten, tauschten wir uns regelmäßig aus. Sie hatten schon länger den Wunsch, ihre Yacht, die Princess Arguella, nach Europa zurück zu bringen. Nun schien dieser Wunsch sich in einen konkreten Plan entwickelt zu haben, denn bei einem Telefonat sagten sie uns, dass sie auf der Suche nach einer Crew wären, dies aber in diesen Zeiten sehr schwierig sei. Dazu muss man wissen, dass eine Atlantik-Überquerung von Ost (meistens ist der Startpunkt irgendwo in den Kanaren) nach West seglerisch eine relativ einfache Angelegenheit ist. Man setzt die Segel, wartet circa drei Wochen und wird vom beständig wehenden Passat automatisch in die Karibik geblasen. Andersherum aber, also von West nach Ost, sieht die Sache ganz anders aus. Hier kann einem wettertechnisch so gut wie alles begegnen: Flaute, Starkwind oder Sturm. Man muss die Route gut planen, um den optimalen Wind zu erwischen und die Wahrscheinlichkeit, dass relativ viele Segelmanöver gefahren werden müssen, ist hoch. Manche Segler machen das ganz alleine, aber generell ist eine Crew von mindestens drei bis vier erfahrenen Seglern einfach viel sicherer und bequemer. So wechselt man sich ab mit der Ruderwache, und es gibt immer genügend Zeit, sich zu erholen und zu schlafen.

Ja und ratet mal, wer hier sofort die Hand hochhob und sich als Crew anbot? Captain Franz natürlich. Er bot sich sofort an, weil so eine Ozean-Überquerung natürlich für jeden Segler eine einmalige Erfahrung ist. Außerdem, so versuchte er meine anfängliche Skepsis (oder war es eher Neid) zu zerstreuen, wäre das eine Chance, für eine eventuelle Überfahrt mit unserer Aton nach Europa bei so einem erfahrenen Skipper wie Simon eine Menge zu lernen. Da hatte er natürlich Recht. Simon und Rachel waren total begeistert, schließlich stand Franz als hoch geschätzter Freund, Segler, Koch und vor allem als Mechaniker und Schiffs-Elektriker ganz oben auf ihrer Crew-Wunschliste. Simon ist nämlich als ehemaliger Manager nicht wirklich technisch versiert, und wie ihr als treue Blog-Leser wisst, geht ständig irgendetwas kaputt an einem Schiff.

Ich musste mich also mit dem Gedanken vertraut machen, dass mein Schatz demnächst für einige Wochen wieder Seeluft schnuppern und ein großes Abenteuer erleben wird, während ich brav in die Arbeit gehen werde. Dabei wollte ich doch nichts mehr, als auch mal wieder dieses intensive Glücksgefühl zu spüren, unter einem atemberaubenden Sternenhimmel durchs Wasser zu schneiden, oder den Tag einfach auf mich zukommen zu lassen, ohne zu wissen, wo ich am Abend sein werde, oder einfach einmal zu erleben, wie es ist, ganz auf sich selbst gestellt zu sein und  über Wochen nichts als Wasser um sich zu haben. Würde ich es lieben oder hassen? Wäre es atemberaubend oder langweilig? Kämen wir als Team über Wochen in einem engen Schiff zurecht, oder würde ich mir wünschen, ganz woanders zu sein? Egal, was dabei rauskommt, ich würde es nur erfahren, wenn ich es mache.  Ich fing an, einen Plan zu schmieden, wie ich arbeitstechnisch eine längere Auszeit nehmen könnte, ohne dass mein Chef deswegen kollabiert. Dass ich seit 8 Monaten keinen einzigen Tag Urlaub, und dafür 150 Überstunden aufgebaut hatte, war natürlich auch ein Argument. Frechheit siegt, dachte ich mir, und sprach mein Vorhaben an. Tatsächlich war mein Boss gar nicht so schockiert, wie ich gedacht hatte. Er wollte „nur“, dass ich noch dies und jenes vorher fertig mache, und gab mir sofort das okay. Ich freute mich tierisch, und Simon und Rachel auch.

Abschied von Martinique

Abschied von Martinique

Franz

Nach der ersten Nacht seit langem, in der ich keine Verantwortung für das Schiff und meine Mannschaft tragen musste, erwachten wir ausgeschlafen und erholt bei Sonnenaufgang. Wir frühstückten an Deck und unterhielten uns mit den anderen Konvoi-Teilnehmern. Diese bestanden aus einem Pärchen, sowie drei Einhandseglern (das sind Segler, die alleine ein Schiff führen). Allesamt Franzosen, was die Verständigung nicht gerade vereinfachte. Wir waren während der Nacht ziemlich gut voran gekommen und hatten schon mehr als die Hälfte der gesamten Strecke geschafft. Ein steter, südlicher Passat hatte uns mit durchschnittlich 8 Knoten bis zum nördlichen Ende von St. Vincent geblasen. Wieder einmal waren wir erstaunt über den Platz, den ein Katamaran bietet. Allerdings waren die Schiffsbewegungen sehr ruckartig und ruppig, da die zwei Rümpfe nicht durch die Wellen schneiden, wie zum Beispiel unsere Aton. Vielmehr läuft die Welle erst unter dem einen und dann unter dem anderen Rumpf hindurch. Gottseidank wurden die Wellen in der Nacht immer kleiner, und somit das Geruckel auch immer weniger.

 

Unser Skipper Mat, ebenfalls ein Franzose, war ein leidenschaftlicher Fischer. Bereits am frühen Morgen hatte er die Köder seiner drei Hochsee-Routen ausgebracht. Es dauerte nicht lange, als die Leine einer der drei Meeresrollen surrend auslief. Mat hechtete zur Angel und begann, den Fisch einzudrillen. Dafür kurbelte er die Leine immer wieder ein Stück ein, um den Fisch zu ermüden. Dieser kämpfte tapfer, dennoch gelang es Mat mehr und mehr, seinen Fang näher an das Boot heran zu bringen. Plötzlich sahen wir den Fisch. Es handelte sich um einen kapitalen Mahimahi (Goldmakrele), der wunderschön hellblau, grün und goldgelb im Wasser schillerte. Mit einem Gaff (ein ausziehbarer Stab, der am Ende aussieht, wie ein Enterhaken) hievte Mat den Fisch schließlich ins Cockpit.

 

Michi

Welch eine wunderschöne Kreatur, dachte ich mir. Was danach kam glich einem Gemetzel. Mat erstach den Fisch mit einem Messer und dieser begann nun augenblicklich wie wild zu zappeln und zu zucken. Dabei wurde das gesamte Cockpit mitsamt den Gästen mit dem umherspritzenden Fischblut besudelt. Wir flüchteten alle in irgendwelche Ecken, die wir auf die Schnelle erreichen konnten. Innerhalb weniger Minuten verlor der Fisch seine schillernden Farben und wurde graublau. So gerne ich auch Fisch esse, irgendwie tat er mir schon leid. Nachdem Mat ihn ausgenommen und zerteilt hatte, fror er ihn ein und begann damit, das Cockpit zu reinigen. Nach der Reinigungsaktion war zwar alles nass, aber auch wieder sauber.

Am frühen Nachmittag, wir waren bereits im Kanal zwischen St. Lucia und Martinique, sahen wir eine große Schule Delfine. Lediglich zwei von ihnen kamen näher zum Schiff, die anderen hüpften munter in einiger Entfernung aus dem Wasser. Plötzlich sahen wir ein Stück davon entfernt weitere Flossen aus dem Wasser ragen. Diese bewegten sich aber nicht. „Das sind Pilotwale.“, klärte uns Mat auf. Die kleinen Wale atmeten an der Wasseroberfläche, wo sie sich kaum bewegten. Jetzt hatten wir immerhin kleine Wale gesehen. Immer wieder hörten wir von Segelfreunden, dass sie Pottwale zwischen den Inseln gesehen hatten. Aber so sehr wir uns die Augen auch ausschauten, wir hatten bisher nicht das Glück gehabt, Wale zu entdecken.

Nachdem wir glücklich wieder in Martinique zurück waren, verbrachten wir die nächsten Tage bis zu unserem Flug in einem kleinen Appartement in Anse a l`Ane. Wir kamen uns vor wie im Urlaub, denn wir hatten nichts mehr zu tun, zu organisieren, aus- und einzuräumen, oder zu erledigen. Wir mussten nur noch warten, bis unser Flieger abhebt. Ein komisches Gefühl, das wir schon sehr lange nicht mehr gehabt hatten (auch wenn viele glauben, wir liegen immer nur faul in der Hängematte und schlürfen einen Cocktail).

Unsere Freunde Wendy und John, die auf dem Weg von Guadeloupe nach Grenada in Martinique einen Zwischenhalt machten, weil sie dringend eine Batterie brauchten, kamen extra vorbei, um uns noch einmal zu sehen. Zwischen den französischen Übersee-Departements war die Quarantäne seit Kurzem aufgehoben worden. Ich hatte sie das letzte Mal an Weihnachten gesehen, wo wir zusammen mit Simon und Rachel den Heiligabend in Bequia gefeiert haben. John und Wendy`s Tochter bekommt im Januar ein Baby und sie hoffen inständig, dass es bis Ende des Jahres möglich sein wird, nach Südafrika, wo sie daheim sind, zu fliegen. Wir drücken ihnen die Daumen, dass sie diese spezielle Zeit miterleben dürfen.

 

Dann war der Tag unserer Abreise gekommen. Wir fuhren mit der Fähre über die große Bucht nach Fort de France, Martinique`s Hauptstadt. Noch einmal winkten wir John und Wendy auf Ihrem Stahlschiff, der Headway, zu und sahen sie im Heckwasser der Fähre immer kleiner werden. Wer weiß, wo und wann wir uns wiedersehen.


Direkt vor dem alten Fort mit dem schönen Stadt-Ankerplatz machte die Fähre an und wir genehmigten uns noch einen Kaffee auf einem der Plätze in der Altstadt. Hier gibt es immer etwas zu sehen und die Zeit bis zu unserem Flug verging im Nu.

Mit dem Bus fuhren wir zum Flughafen, wo überall streng auf die Einhaltung der Maskenpflicht und des Mindestabstandes geachtet wurde. Auch im Wartebereich war jeder zweite Sitz gesperrt, so dass der Mindestabstand gewährleistet war. Beim Boarden wurde dann jedem kurz ein Thermometer an die Stirn gehalten – gut, dass ich keine Hitzewallungen habe. Alles in Ordnung. Wir stiegen ein und mussten feststellen, dass der ganze Flieger bis auf den letzten Platz belegt war. Auf einmal war der Mindestabstand nicht mehr wichtig. Aber die Maske musste, außer beim Essen, während des ganzen Fluges getragen werden. In unserer Nähe saß dann auch eine Frau, die wirklich immer wieder minutenlang pausenlos geniest hat. Irgendwie sieht man im Geiste dann wirklich die Viren auf einen zufliegen. In Paris angekommen mussten wir mit der Zubringer-Bahn zum Ostbahnhof, von wo aus wir mit einem ICE direkt nach Augsburg gefahren sind. Im Zug war dann wieder die Hälfte der Plätze gebloggt. Sehr angenehm.

Wir ließen unsere Zeit des lockdowns in Martinique noch einmal revue passieren und denken auch an die kommenden Monate. Wir freuen uns schon sehr auf unsere Familie, vor allem natürlich auf Daniel`s und Alex` Hochzeit. Schade, dass Marco immer noch in Indien festsitzt. Aber besser, er riskiert nichts und bleibt in Auroville. Dort ist er während seiner Reise gerade gewesen, als es mit Corona losging. Gottseidank ist es einer der sichersten Orte Indiens. Keine Ahnung, was wir in den nächsten Monaten in Deutschland machen werden. Wir wissen auch nicht, wo wir ab August wohnen sollen. Aber, wie Franz`Bruder Klaus immer sagt: irgendwas wird es schon werden. Wir lassen alles auf uns zukommen und sind zuversichtlich. Kein Mensch weiß, wann wir wieder zu unserer Aton zurück kommen und unsere Reise fortsetzen können. Wir hoffen, dass sich kein Hurrikan nach Carriacou verirrt, und Aton bis zu unserer Wiederkehr sicher ist. Aber sosehr wir uns jetzt auch auf Deutschland freuen, so sehr freuen wir uns dann wieder auf unser Schiff, auf den Wind, das Meer, den Luxus, Zeit zu haben, und die Freiheit zu tun, was immer wir wollen.