Franz
Nach der ersten Nacht seit langem, in der ich keine Verantwortung für das Schiff und meine Mannschaft tragen musste, erwachten wir ausgeschlafen und erholt bei Sonnenaufgang. Wir frühstückten an Deck und unterhielten uns mit den anderen Konvoi-Teilnehmern. Diese bestanden aus einem Pärchen, sowie drei Einhandseglern (das sind Segler, die alleine ein Schiff führen). Allesamt Franzosen, was die Verständigung nicht gerade vereinfachte. Wir waren während der Nacht ziemlich gut voran gekommen und hatten schon mehr als die Hälfte der gesamten Strecke geschafft. Ein steter, südlicher Passat hatte uns mit durchschnittlich 8 Knoten bis zum nördlichen Ende von St. Vincent geblasen. Wieder einmal waren wir erstaunt über den Platz, den ein Katamaran bietet. Allerdings waren die Schiffsbewegungen sehr ruckartig und ruppig, da die zwei Rümpfe nicht durch die Wellen schneiden, wie zum Beispiel unsere Aton. Vielmehr läuft die Welle erst unter dem einen und dann unter dem anderen Rumpf hindurch. Gottseidank wurden die Wellen in der Nacht immer kleiner, und somit das Geruckel auch immer weniger.
Unser Skipper Mat, ebenfalls ein Franzose, war ein leidenschaftlicher Fischer. Bereits am frühen Morgen hatte er die Köder seiner drei Hochsee-Routen ausgebracht. Es dauerte nicht lange, als die Leine einer der drei Meeresrollen surrend auslief. Mat hechtete zur Angel und begann, den Fisch einzudrillen. Dafür kurbelte er die Leine immer wieder ein Stück ein, um den Fisch zu ermüden. Dieser kämpfte tapfer, dennoch gelang es Mat mehr und mehr, seinen Fang näher an das Boot heran zu bringen. Plötzlich sahen wir den Fisch. Es handelte sich um einen kapitalen Mahimahi (Goldmakrele), der wunderschön hellblau, grün und goldgelb im Wasser schillerte. Mit einem Gaff (ein ausziehbarer Stab, der am Ende aussieht, wie ein Enterhaken) hievte Mat den Fisch schließlich ins Cockpit.
Michi
Welch eine wunderschöne Kreatur, dachte ich mir. Was danach kam glich einem Gemetzel. Mat erstach den Fisch mit einem Messer und dieser begann nun augenblicklich wie wild zu zappeln und zu zucken. Dabei wurde das gesamte Cockpit mitsamt den Gästen mit dem umherspritzenden Fischblut besudelt. Wir flüchteten alle in irgendwelche Ecken, die wir auf die Schnelle erreichen konnten. Innerhalb weniger Minuten verlor der Fisch seine schillernden Farben und wurde graublau. So gerne ich auch Fisch esse, irgendwie tat er mir schon leid. Nachdem Mat ihn ausgenommen und zerteilt hatte, fror er ihn ein und begann damit, das Cockpit zu reinigen. Nach der Reinigungsaktion war zwar alles nass, aber auch wieder sauber.
Am frühen Nachmittag, wir waren bereits im Kanal zwischen St. Lucia und Martinique, sahen wir eine große Schule Delfine. Lediglich zwei von ihnen kamen näher zum Schiff, die anderen hüpften munter in einiger Entfernung aus dem Wasser. Plötzlich sahen wir ein Stück davon entfernt weitere Flossen aus dem Wasser ragen. Diese bewegten sich aber nicht. „Das sind Pilotwale.“, klärte uns Mat auf. Die kleinen Wale atmeten an der Wasseroberfläche, wo sie sich kaum bewegten. Jetzt hatten wir immerhin kleine Wale gesehen. Immer wieder hörten wir von Segelfreunden, dass sie Pottwale zwischen den Inseln gesehen hatten. Aber so sehr wir uns die Augen auch ausschauten, wir hatten bisher nicht das Glück gehabt, Wale zu entdecken.
Nachdem wir glücklich wieder in Martinique zurück waren, verbrachten wir die nächsten Tage bis zu unserem Flug in einem kleinen Appartement in Anse a l`Ane. Wir kamen uns vor wie im Urlaub, denn wir hatten nichts mehr zu tun, zu organisieren, aus- und einzuräumen, oder zu erledigen. Wir mussten nur noch warten, bis unser Flieger abhebt. Ein komisches Gefühl, das wir schon sehr lange nicht mehr gehabt hatten (auch wenn viele glauben, wir liegen immer nur faul in der Hängematte und schlürfen einen Cocktail).
Unsere Freunde Wendy und John, die auf dem Weg von Guadeloupe nach Grenada in Martinique einen Zwischenhalt machten, weil sie dringend eine Batterie brauchten, kamen extra vorbei, um uns noch einmal zu sehen. Zwischen den französischen Übersee-Departements war die Quarantäne seit Kurzem aufgehoben worden. Ich hatte sie das letzte Mal an Weihnachten gesehen, wo wir zusammen mit Simon und Rachel den Heiligabend in Bequia gefeiert haben. John und Wendy`s Tochter bekommt im Januar ein Baby und sie hoffen inständig, dass es bis Ende des Jahres möglich sein wird, nach Südafrika, wo sie daheim sind, zu fliegen. Wir drücken ihnen die Daumen, dass sie diese spezielle Zeit miterleben dürfen.
Dann war der Tag unserer Abreise gekommen. Wir fuhren mit der Fähre über die große Bucht nach Fort de France, Martinique`s Hauptstadt. Noch einmal winkten wir John und Wendy auf Ihrem Stahlschiff, der Headway, zu und sahen sie im Heckwasser der Fähre immer kleiner werden. Wer weiß, wo und wann wir uns wiedersehen.
Direkt vor dem alten Fort mit dem schönen Stadt-Ankerplatz machte die Fähre an und wir genehmigten uns noch einen Kaffee auf einem der Plätze in der Altstadt. Hier gibt es immer etwas zu sehen und die Zeit bis zu unserem Flug verging im Nu.
Mit dem Bus fuhren wir zum Flughafen, wo überall streng auf die Einhaltung der Maskenpflicht und des Mindestabstandes geachtet wurde. Auch im Wartebereich war jeder zweite Sitz gesperrt, so dass der Mindestabstand gewährleistet war. Beim Boarden wurde dann jedem kurz ein Thermometer an die Stirn gehalten – gut, dass ich keine Hitzewallungen habe. Alles in Ordnung. Wir stiegen ein und mussten feststellen, dass der ganze Flieger bis auf den letzten Platz belegt war. Auf einmal war der Mindestabstand nicht mehr wichtig. Aber die Maske musste, außer beim Essen, während des ganzen Fluges getragen werden. In unserer Nähe saß dann auch eine Frau, die wirklich immer wieder minutenlang pausenlos geniest hat. Irgendwie sieht man im Geiste dann wirklich die Viren auf einen zufliegen. In Paris angekommen mussten wir mit der Zubringer-Bahn zum Ostbahnhof, von wo aus wir mit einem ICE direkt nach Augsburg gefahren sind. Im Zug war dann wieder die Hälfte der Plätze gebloggt. Sehr angenehm.
Wir ließen unsere Zeit des lockdowns in Martinique noch einmal revue passieren und denken auch an die kommenden Monate. Wir freuen uns schon sehr auf unsere Familie, vor allem natürlich auf Daniel`s und Alex` Hochzeit. Schade, dass Marco immer noch in Indien festsitzt. Aber besser, er riskiert nichts und bleibt in Auroville. Dort ist er während seiner Reise gerade gewesen, als es mit Corona losging. Gottseidank ist es einer der sichersten Orte Indiens. Keine Ahnung, was wir in den nächsten Monaten in Deutschland machen werden. Wir wissen auch nicht, wo wir ab August wohnen sollen. Aber, wie Franz`Bruder Klaus immer sagt: irgendwas wird es schon werden. Wir lassen alles auf uns zukommen und sind zuversichtlich. Kein Mensch weiß, wann wir wieder zu unserer Aton zurück kommen und unsere Reise fortsetzen können. Wir hoffen, dass sich kein Hurrikan nach Carriacou verirrt, und Aton bis zu unserer Wiederkehr sicher ist. Aber sosehr wir uns jetzt auch auf Deutschland freuen, so sehr freuen wir uns dann wieder auf unser Schiff, auf den Wind, das Meer, den Luxus, Zeit zu haben, und die Freiheit zu tun, was immer wir wollen.