Autor: Aton-Crew

Die Geschichte mit den Ersatzteilen

Die Geschichte mit den Ersatzteilen

Michi

Ich hatte mittlerweile das ganze Cockpit neu lackiert. Der dort aufgebockte Motor war eines Tages in den Fußraum gekracht, wo die ca. 200 kg eine wüste Delle und mehrere tiefe Kratzer verursacht hatten. Also war schleifen angesagt, füllen und wieder schleifen, Primer und wieder schleifen, dann lackieren. Ich war mit dem Ergebnis zufrieden, denn nun glänzte alles wieder wie neu.

Wir beschlossen, uns mit einem Urlaubstag zu belohnen und wanderten zum Paradise Beach. Dort entdeckten wir den Paradise Beach Club, der ausgesprochen schön dort angelegt ist.

Wenn man dort isst (und die Küche ist ausgesprochen gut), wird man mit einem kleinen Boot zur gegenüber liegenden Sandy Island gefahren und wieder abgeholt. Dies ist eine ganz bezaubernde, kleine Sandinsel inmitten eines National-Parks. Einige Bojen laden zum Verweilen mit der Yacht ein und der einmalig schöne, weiße Strand lädt zum Baden ein.


Unser Ersatzteil-Lieferant in Grenada hatte uns nun mitgeteilt, dass der Bolzen in USA nicht lieferbar sei. Jetzt war guter Rat teuer. Ohne diesen Bolzen konnten wir nicht segeln, was für ein Segelschiff natürlich blöd ist. Aber nun kamen unsere Freunde ins Spiel. Sowohl Peter zuhause in Deutschland, der anbot, den Bolzen fertigen zu lassen, als auch Tina und Werner, die gerade in Sint Maarteen, dem Ersatzteil-Himmel in der Karibik, waren, wollten uns helfen. Zu guter Letzt auch Claude und Jaqueline, unsere neuen Freunde aus der Normandie, boten an, telefonisch in Martinique zu recherchieren. Tina und Werner waren zuerst erfolgreich, und nun warten wir auf die Lieferung, die in den nächsten Tagen in Grenada ankommen soll. Wie schön, wenn man sich in solchen Situationen auf gute Freunde verlassen kann. Vielen Dank an Euch alle!

 

Von wegen Insel-Hüpfen

Von wegen Insel-Hüpfen

Michi

Es war sehr schön, wieder auf dem Schiff zu leben und ich fühlte mich gleich wieder zu Hause. Franz hatte sich extra den ganzen Montag für mich frei gehalten, das Schiff ein bisschen aufgeräumt (der ausgebaute Motor im Cockpit und das ganze herumliegende Werkzeug waren jetzt nicht so romantisch) und wir machten einen Spaziergang im Ort. Viele seiner Bekannten, die wir trafen, begrüßten mich überschwänglich. Er hatte allen erzählt, dass ich endlich komme und alle wollten mich kennen lernen.

Am nächsten Tag kam Jörg, Franz Unterstützer in Sachen Motor, und die beiden bauten das Ungetüm wieder da hinein, wo es hingehört.

Nachdem Franz in den kommenden Tagen noch einige kleinere Probleme gelöst hatte, kam der große Moment des ersten Probelaufs. Und tata: er sprang an und lief, wie er laufen sollte. Die Freude und Erleichterung war groß; jetzt hatten wir wieder einen zuverlässigen Antrieb. In den nächsten Tagen wollten wir den Motor noch bei einer Probe-Runde um die Insel testen, worauf wir uns schon freuten.

Das letzte Problem, das uns noch daran hinderte, in See zu stechen, war der gebrochene Bolzen des Vorstages. Franz wollte mit der Fähre nach Grenada rüber, um die dort bereits vorher schon einmal angefragten Teile zu besorgen.  Damals hieß es: „kein Problem, wir haben alles auf Lager.“. Ich brachte ihn zur 5 Uhr-Fähre und fuhr dann in vollkommener Dunkelheit mit dem Dinghi zurück. Da ich schon so viele einschlägige Erfahrungen mit streikenden Dinghi-Motoren, fehlenden Not-Paddeln und ausgehendem Benzin habe, war mir etwas mulmig zumute. Aber es ging alles gut, ich fand Aton wieder und legte einen 1a-Anleger hin.

Als Franz jedoch nun mit dem Muster des Bolzens beim Händler ankam, wurden dessen Augen immer größer. Sie hatten zwar alles Mögliche, aber genau das, was wir brauchten halt nicht! Super. Nun musste man den Bolzen extra aus USA einfliegen, was wieder ein bis zwei Wochen dauern sollte. Ganz zu schweigen, dass Franz den ganzen Tag und die Kosten der Fähre umsonst investiert hatte. Aber was hilfts. Zähneknirschend fuhr er wieder zurück und beichtete mir die misslungene Aktion. Wir stellten uns auf weitere zwei Wochen in der Tyrell Bay ein und ich beschloss, die Zeit dafür zu nutzen, mich um Aton`s Lack zu kümmern. Eigentlich wollten wir ja die Zeit hier nutzen, um die Grenadinen zu besuchen, wunderschöne Inselchen, die im benachbarten St.Vincent liegen. Tja, das musste jetzt leider noch warten.

Nach einem Tag, an dem ich mir von Früh bis Spät die Finger wund geschliffen hatte, beschlossen wir, am nächsten Tag einen Blauen einzulegen. Wir fuhren mit dem Minibus in die Hauptstadt, wo wir einige Besorgungen machten. Franz zeigte mir sein Lieblings-Cafe, das wirklich herrlich direkt am Strand liegt.

Danach fuhren wir wieder mit dem Bus auf die andere Seite der Insel, wo wir ein bisschen spazieren gingen.

Das Bus fahren in der Karibik ist immer sehr interessant. Es passen ca. 16 Personen in den Mini-Bus, der eine feste Linie fährt. Auch alle Arten von Gepäck werden transportiert; das geht von riesigen Säcken voller Irgendwas, über Rohre, die Franz im Bus mitgenommen hat, bis zu Einkäufen für einen mehrwöchige Segeltörn. Wenn man den Fahrer kennt, oder ein Trinkgeld springen lässt, fährt er einen schon auch mal extra irgendwohin. Den anderen Fahrgästen würde es nie in den Sinn kommen, sich deswegen aufzuregen. Eilig hat es hier sowieso niemand. Und die Zeit im Bus wird ausgiebig genutzt, um zu tratschen. Manchmal unterhält sich einer von ganz hinten mit einem ganz vorne und die Lautstärke ist dementsprechend. Es wird viel gelacht, aber wir verstehen meistens nicht viel, da das karibische Englisch für unsere Ohren unverständlich ist. Trotzdem ist es immer sehr unterhaltsam, und alleine die kunstvollen und immer wieder anders geflochtenen Frisuren der Mädchen und Frauen zu betrachten, finde ich sehr unterhaltsam. Außerdem sieht man viel von Land und Leuten, und alleine die quietschbunten Häuser und Hütten sagen schon viel über das Lebensgefühl hier.

Abends fahren wir öfters in den Ort, weil in zwei Bars Life-Musik gespielt wird. Auf dem Weg dorthin leuchte ich uns den Weg:

Ich finde es mega cool, direkt am Steg vor der Bar das Dinghi zu parken, barfuß durch den Sand in die Bar, die nur aus einer Außen-Terrasse besteht, zu gehen und zur Reggae-Musik zu tanzen. Draußen in der Bucht schaukeln vielleicht hundert Anker-Lichter und der Mond (oder ich) leuchten beim Zurück-Fahren. So machen wir es uns trotz aller Arbeit schön und es fühlt sich, zumindest manchmal, wie Urlaub an. Franz kennt inzwischen sehr viele Einheimische und Segler, und so treffen wir immer irgendjemand zum Ratschen.

 

Zurück auf Aton

Zurück auf Aton

Michi

Nach unserer Atlantik-Überquerung hatte uns der Alltag schnell wieder. Wir waren so dankbar, diese Erfahrung gemacht zu haben und stolz, wie wir alles zusammen gemeistert hatten. Reni hatte endgültig das Segel-Fieber gepackt und sie sprach bereits davon, den Segelschein zu machen. Im September hatten wir eine Woche in Kroatien gechartert und verbrachten mit ihr, ihrem Bruder Bernd, seiner Frau Claudia und unseren Freunden Wolfi und Otti eine schöne Woche in Dalmatien.

Gleich nach unserer Rückkehr aus Kroatien buchte Franz seinen Flug nach Carriacou für Mitte Oktober. Der Plan war, dass er dort Aton wieder auf Vordermann bringen würde und ich ca. im Dezember nachkommen sollte. Dann wollten wir einige Wochen in Grenada und den Grenadinen verbringen und im März zusammen wieder heimfliegen.

Die Zeit verging wie im Flug und der Tag des Abschieds kam schneller, als uns lieb war. Franz musste wegen der Pandemie das ganze Covid-Procedere durchmachen. PCR-Test, Einreise-Formulare für England und Grenada mit Hochladen des Testergebnisses, erneuter PCR-Test und Quarantäne bis Vorliegen des Ergebnisses in Grenada. Dann wieder zum Gesundheits-Ministerium in Grenada, um eine Erlaubnis zur Überfahrt nach Carriacou zu bekommen. Aber schlussendlich hatte er es dann doch geschafft und war wieder auf Aton, die in einer Marina an Land gelagert war. Die Vulkan-Asche des inzwischen ausgebrochenen Soufriere in St. Vincent, der Nachbarinsel, versteckte sich noch in allen Ritzen, aber ansonsten hatte sie die Zeit gut überstanden.

Wir telefonierten jeden Abend miteinander und brachten uns auf den neuesten Stand. Die Arbeiten auf Aton waren für ihn nicht leicht. Das Schiff stand in der prallen Sonne, kein Lüftchen wehte hier, er musste sich oft in den Motorraum quetschen, und zu alledem war die Marina direkt neben den Mangroven. Das hieß, Mosquitos zu hunderten, immer und überall. Oft war er sehr frustriert, weil irgendein technisches Problem ihn wieder um Tage zurück geworfen hatte. Ich versuchte dann, ihn wieder aufzurichten und Mut zu zusprechen. Leider hatte er anfangs überhaupt keinen Kontakt zu anderen Seglern und somit auch absolut keine Ansprache oder Hilfe. Er tat mir sehr leid und ich versuchte, ihn zu motivieren, so gut es ging. Oft hatte er aber auch Erfolgserlebnisse, an denen er mich auch teilhaben ließ. Dann freuten wir uns zusammen und stellten fest, dass es einfach schön war, Freud und Leid miteinander zu teilen.

Nach einiger Zeit war er soweit fertig, dass er mit Aton wieder ins Wasser gekrant werden konnte. Draußen in der Bucht ging immer ein schöner Wind und es hatte hier auch keine Mosquitos. Gottseidank, denn hier gibt es immer wieder Fälle von Dengue-Fieber. Auch lernte er nun mehr und mehr andere Segler kennen. Ein großes Glück war auch Jörg, ein Deutscher, der in Carriacou einen Workshop für Boots-Mechanik betreibt und ihm mit Rat und Tat zur Seite stand. Ich war froh, dass er nun Unterstützung und Gesellschaft hatte. Ich buchte meinen Flug für Anfang Januar und wir freuten uns sehr, dass wir uns nach drei langen Monaten endlich wieder in die Arme schließen konnten.

Da unser Generator, den wir in Florida bei Aldi gekauft hatten, und der bis hierhin relativ gut gelaufen war, bereits ahnen ließ, dass er die Reise wohl bald abbrechen würde, hatte Franz in Deutschland einen gebrauchten erstanden. Und tatsächlich, der alte Aldi-Generator sprang nicht mehr an und die verrosteten Schrauben ließen sich nicht mehr öffnen. Das hieß für mich, ich hatte einen Generator (30 kg schwer und ziemlich unhandlich) im Gepäck für meinen Flug. Ich versuchte herauszufinden, ob und wie das möglich war; endlich hatte ich jemanden von der Airline am Telefon und nein, es war nicht möglich, ein Gerät mitzunehmen, in dem vorher schon Brennstoff war. Ich war direkt froh, denn dieses Untrumm von Hochzoll nach Augsburg, nach Frankfurt, dann von Heathrow nach Gatwick und von Grenada nach Carriacou zu zerren, machte mir schon irgendwie Kopfzerbrechen. Aber schon am nächsten Tag verkündete mir mein Franz ganz happy, er hat jetzt einen neuen Generator bei Amazon gesehen und den soll ich mitbringen. Grrrrrhhhhh!!!

Ich bestellte also den neuen (der war immerhin nur 22 kg schwer) und zermartere mir wieder den Kopf darüber, wie ich den, zusätzlich zu den anderen Ersatzteilen, einem Seil und Werkzeugen, die ich auch mitnehmen sollte, in öffentliche Verkehrsmittel rein und raus, treppauf und treppab auf meiner langen Reise möglichst einfach transportieren konnte. Ich sah mich schon stolpernd und schwitzend mein ganzes Gepäck hin und her schleppend, mitleidigen Blicken anderer Reisenden ausgeliefert. Aber wiederum schon am nächsten Tag war Franz wieder ganz aus dem Häuschen am Telefon. Er hatte zufällig einen gebrauchten Generator in Grenada erstehen können und braucht den neuen nun nicht mehr. Mir fiel ein Stein vom Herzen und ich stornierte die Bestellung gleich wieder.

So konnte ich unbeschwert mit nur einer Reisetasche voller Ersatzteile losfahren. Schon am Bahnhof in Augsburg weigerte sich der Automat, mir ein Ticket auszuspucken. Ich sollte es später noch einmal probieren! Witzig, wenn der Zug in den nächsten 15 Minuten einfährt. Also zum Reisecenter (das muss man in der riesen Baustelle am Augsburger Bahnhof erst mal finden) und ein Ticket Augsburg – Frankfurt gekauft. Ich wunderte mich schon, dass ich gar nicht umsteigen musste. Online hatte ich schon geschaut und dort war einmal umsteigen gestanden. Kaum war der Zug da und ich eingestiegen, dämmerte es mir schon: ich hatte beim Ticket-Kauf nicht gesagt, dass ich nach Frankfurt-Flughafen will. Das ging ja schon gut los. Der freundliche Schaffner hat mir dann erklärt, wie ich vom Hauptbahnhof zum Flughafen komme. Gottseidank hatte ich genügend Zeitpuffer eingerechnet.

Da Franz unsere Kreditkarte benutzt, hatte ich mir eine andere bestellt, die einige Tage vor meiner Abreise gekommen war. Ich bekam einen Schweißausbruch, als mir, bereits im Flughafen Heathrow angekommen, auffiel, dass ich immer noch nicht die Geheimzahl hatte, die per Post kommen sollte. Ganz panisch schrieb ich meine Nachbarin Marion an, die netterweise meinen Briefkasten betreut. Sie sah gleich nach, und tatsächlich, der Brief mit der Nummer war da. Wieder mal Glück gehabt. Da man wegen Corona Bargeld, wenn überhaupt, nur noch sehr ungern nimmt, war ich auf der sicheren Seite. Danke, Marion!

Ich nahm mir ein Taxi, weil ich im Corona-verseuchten England auf keinen Fall mit dem Bus fahren wollte. Der Taxi-Fahrer war in Harvey, wo ich ein airbnb-Zimmer ganz nah am Flughafen Gatwick gebucht hatte, etwas überfordert und fand erst die Adresse nicht. Dann endlich, war er der Meinung, hat er es gefunden. Aber dort war nur ein Pub, und ich weigerte mich, auszusteigen, wenn nicht sicher war, dass wir richtig sind. Also fuhr er noch ein paar Mal auf und ab, bis wir es endlich gefunden hatten. Nun musste ich noch ein Zimmer in Grenada buchen, da ich dort zwei Nächte verbringen musste, weil die nächste Fähre erst am Montag Früh ging. Ich buche immer über airbnb und auch dieses Mal wurde ich fündig. Ein Zimmer in der Nähe des Flughafens. Am nächsten Morgen sah ich, dass die Buchung bestätigt und der Preis abgebucht wurde. Prima. Dann hab ich ja alles organisiert – dachte ich.

Von Gatwick flogen wir dann über den Atlantik und ich musste mich sehr wundern, wie weit wir im Mai nur mit der Hilfe des Windes und einem kleinen Segelschiff gekommen waren. Wir hatten noch eine Zwischenlandung in Antigua, wo der größte Teil der Passagiere ausstieg. So konnte ich mich an ein Fenster setzen und alle Antillen-Inseln von oben betrachten, die wir schon besucht hatten: Guadeloupe, Sint Maarten, Dominica, Martinique, St. Vincent, die Grenadinen und Grenada. Es kamen bei jeder einzelnen so schöne Erinnerungen, dass ich vor Dankbarkeit ganz wehmütig wurde. Was hatten wir hier nicht alles gesehen, wie viele tolle und interessante Leute getroffen und Abenteuer erlebt.

In Grenada angekommen stand ich 2 Stunden in einer Schlange, um einen PCR-Test zu bekommen. Da ich im Flugzeug ganz hinten saß, war ich die absolut letzte in der Schlange.

Danach nahm ich mir ein Taxi und wir suchten die Adresse des gebuchten Zimmers. Das Haus, welches mir von den Nachbarn, die ich auf der Straße gefragt hatte, gezeigt wurde, war hinter dem Flughafen auf einem Hügel. Als ich aus dem Taxi stieg und dieses davon fuhr, stand die Vermieterin auch schon am Tor, um mich zu begrüßen. Als ich jedoch sagte, ich sei ihr Gast, sah sie mich groß und klein an. Sie vermiete schon seit zwei Jahren nicht mehr, das muss ein Missverständnis sein. !!!??? Sie behauptete, ihr Sohn hätte den Acount bei airbnb schon lange gelöscht. Ich zeigte ihr die Anzeige auf meinem Handy und die Buchungsbestätigung, aber sie blieb dabei: es gibt bei ihr kein Zimmer und das ist alles ein großes Missverständnis.

Jetzt stand ich da und hatte kein Taxi, es wurde schon dunkel und ich kam mir vor wie bei der Herbergssuche. Bitte, lasst mich ein – ich schlaf auch auf dem Boden.  Spaß beiseite.

Wie immer hatte ich Glück im Unglück und gleich im Nachbarhaus waren Zimmer zu mieten. Natürlich zum doppelten Preis. Ob die unter einer Decke stecken? Der Sohn der vermeintlichen Vermieterin, der sich wohl um den Acount kümmert, hat sich im Nachhinein vielmals bei mir entschuldigt und ich hab auch mein Geld wieder zurück bekommen. Trotzdem stinkt es mir, dass ich den doppelten Preis bezahlen musste. Aber da zu streiten scheint mir aussichtslos. Ich war auch einfach erst mal froh, dass ich überhaupt schon mal hier war. Mein Zimmer war nichts Besonderes, hatte aber eine eicht schöne Aussicht.

Ich verbrachte den Sonntag in St. Georges, der Hauptstadt (wo jedoch tote Hose war, weil eben Sonntag war) und am Strand in Grand Anse.

Am Montag Früh nahm ich die Fähre und schon bei der Einfahrt in die Tyrell Bay sah ich, unter geschätzten hundert anderen Schiffen, unsere Aton am Anker schaukeln. Hübsch, wie immer; mir ging das Herz auf. Und erst als Franz und ich uns am Fähr-Terminal endlich wieder in die Arme schließen konnten – da war die Welt dann endgültig wieder in Ordnung.

Horta

Horta

Michi
Die ersten Tage in Horta begrüßten uns mit strahlendem Sonnenschein. Von unserem Ankerplatz hinter der schützenden Mole aus hatten wir einen schönen Blick auf die malerische Stadt, die saftig-grünen umliegenden Hügel, sowie die gegenüber liegende Insel Pico mit ihrem alles überragenden Vulkan Pico, der sich allerdings oft in Wolken hüllte. Alle Segler müssen nach ihrer Ankunft zu allererst einen PCR-Test machen (auch und obwohl wir gerade 3 Wochen von sowas von einer Quarantäne hinter uns hatten und alle vollständig geimpft sind). Deswegen wurden wir am Montag- Morgen, zusammen mit anderen Neuankömmlingen, vom Boot abgeholt und zum derzeit als Testzentrum umfunktionierten Fähren- und Kreuzfahrt-Terminal gebracht. Dort machte man einen Nasen- und Rachen-Abstrich, auf dessen Ergebnis wir nun zu warten hatten. Dieses kam schon am Abend: alle negativ; welche Überraschung.

Gleich am Dienstag Früh tuckerten wir dann mit dem Dinghi an Land und bewunderten erst einmal ausgiebig hunderte von kleinen Gemälden, für die der Hafen von Horta bekannt ist. Seit Jahrzehnten hatten Segler ihre Ankunft in Horta mit bunten, teils wunderschönen und sehr kreativen Kunstwerken auf die Stege, die Molen, auf Sitzbänke, Hafengebäude und alle freien Flächen dort dokumentiert. Teilweise wurden Weltkugeln mit den Umsegelungs-Kursen gemalt, teilweise die Boots-Logos, teilweise ganze Geschichten und natürlich jede Menge Schiffe. Dazu konnte man die Schiffs- und Crew-Namen lesen und das Datum. Manche hatten die ganze Welt schon drei- oder viermal umsegelt, mehrere erzählten  von der „Thor Heyerdahl“, einem „Classroom  under sail“ (also einem Schiff, das mit einer Schulklasse unterwegs ist), eines entdeckten wir von der „Guppy“ der berühmten Laura Decker (die im Alter von 14 Jahren alleine die Welt innerhalb eines Jahres umsegelt hat) und auch mehrere von Schiffen, die Franz aus den vielen „You Tube“-Viedos kannte, die er in den letzten Jahren geschaut hatte (immer mit der Sehnsucht, dies eines Tages selbst erleben zu dürfen).

Irgendwie war es seltsam, wieder festen Boden unter den Füßen zu haben und wir alle kamen ziemlich breitbeinig daher. Da sich das Gehirn ziemlich schnell an die andauernden Boots-bewegungen gewöhnt hatte, meint man, dass dieses Schwanken im Kopf auch an Land weitergeht (sozusagen die Umkehr der Seekrankheit). Man hat ein Gefühl, als hätte man einen Schwips und deswegen wankten wir anfangs alle ein bisschen unsicher. Das vergeht dann mehr oder weniger schnell nach einigen Tagen, sobald im Gehirn angekommen ist, dass der Boden jetzt nicht mehr schwankt.

Horta gefiel uns ausgesprochen gut. Im Gegensatz zur Karibik fiel sofort auf, dass alles gepflegt und sauber war. Die allermeisten Häuser waren renoviert und die öffentlichen Gebäude sehr gepflegt. Im Prinzip ist Horta ein größeres Dorf und hat in Wassernähe viele Geschäfte und ein paar Cafes und Restaurants. Die berühmteste Bar bei den ankommenden Seglern ist „Peter`s Bar“. Diese ist mit unzähligen Fahnen und Mitbringseln der Segler geschmückt und schon in der Karibik erzählt man davon, hier einzukehren.

Ein schickes Hotel ist in einem antiken Gebäude direkt am Hafen untergebracht und ein anderes, kleineres, am Hang (sonst haben wir auf der ganzen Insel kein Hotel gesehen). Es gibt eine kleine Markthalle und auch einen Supermarkt. Dort staunten wir über die große Auswahl und die gut sortierte Frisch-Fisch-Theke. Wir erstanden Thunfisch-Filets für unter fünf Euro das Kilo und bedienten uns mit einer Schaufel aus einer Kühlbox mit Garnelen.

Wir mieteten uns ein Auto und machten einen Insel-Ausflug. Da wir die saftig grünen Hügel bereits vom Ankerplatz aus gesehen hatten, erwarteten wir eine grandiose Natur. Aber was wir dann gesehen haben, übertraf all unsere Erwartungen. Überall am Straßenrand und den angrenzenden Wiesen wucherten und blühten Blumen und Blüten. Mannshohe Hortensien-Büsche und Blüten aller Art und Farben durchbrachen das satte Grün der Wiesen und Hügel. Da sich der Himmel sehr bedeckt und grau präsentierte, waren die Farben sehr intensiv und die ganze Landschaft beinahe unwirklich schön.

In einem kleinen Ort entdeckten wir das Cafe Rosa und kehrten auf einen Capuccino ein. Reni sprach gleich zwei ältere Frauen an einem Tisch an und erfuhr viele interessante Dinge von ihnen. Die Jüngere, Lucy, war mit ihren Eltern nach USA ausgewandert und im Alter von 19 Jahren zurückgekommen, um zu heiraten. Sie sprach gut Englisch und übersetzte, was die Ältere (sie war schon über 80) erzählte. Diese hatte ihren Mann verloren, als sie gerade mit dem vierten Kind schwanger war. Sie hat ihre vier Kinder großgezogen und sich mit Näharbeiten und selbst angebautem Gemüse über Wasser gehalten. Es gab keinen Strom und kein fließendes Wasser. Sie war sehr mitteilsam und hörte gar nicht mehr auf, zu reden. Die Cafe-Betreiberin war die Tochter von Lucy und Zahnärztin. Sie hatte ihre Praxis gleich neben dem Cafe und dem Lebensmittel-Geschäft, das sie nebenbei betrieb. Immer wieder kamen Einheimische auf einen Cafe oder ein Getränk herein. Jeder kannte Jeden und es herrschte eine super entspannte Atmosphäre. Jeder hatte ein bisschen Zeit für ein Schwätzchen. Wie schön, dass es sowas noch gibt.

Nachdem wir zum Krater des Hauptvulkans hoch gefahren waren, diesen jedoch vor lauter Wolken nicht sehen konnten, besuchten wir das westliche Ende der Insel. Hier war, wie wir schon beim Vorbeisegeln sehen konnten, der Leuchtturm in den 50er Jahren von der Asche eines Vulkan-Ausbruchs verschüttet worden. Es gab ein (wie bei fast allen öffentlichen Bauvorhaben von der EU finanziertes) Info-Center über den Ausbruch. Die ganze Umgebung des Leuchtturms besteht aus schwarzer Asche und die Insel-Ecke hier wurde damals durch das erkaltete Lava neu erschaffen. Alles sah irgendwie irreal und deswegen auch besonders schön aus.

Auf dem Heimweg hielten wir noch an der Küste an einer Stelle, wo inmitten des schwarzen, weichen Lavagesteins eine Art Freibad hineingebaut wurde. Entlang eines neu gebauten Weges entdeckten wir mehrere Liegeplätze, Pools, Holzdecks, einen natürlichen Meerespool mit Beobachtungsturm a la „Baywatch“ und einem Sprungbrett in eine kleine, vom Meer aufgewühlte Bucht. Wie überall waren nur sehr wenige Leute hier.

Wir waren uns alle einig, dass ein Urlaub auf den Azoren, die auf allen neun Inseln viel Sehens-wertes, tolle Wanderwege und eine grandiose Natur zu bieten haben, auf jeden Fall auf unserer Liste für zukünftige Wünsche stehen wird. Man kann wunderbar mit der Fähre von einer Insel zur anderen fahren und tolle Wanderungen machen. Das Klima ist vielleicht nicht ganz so mild wie in Süd-Europa, aber gerade deswegen auch viel angenehmer.

Mitten in der Nacht wachte ich durch ein Geräusch auf. Ich horchte und realisierte auf einmal, was die Ursache des Geräuschs war. Der Anker schleifte über steinigem Grund und erzeugte ein leises Scharr-Geräusch. Wenn ich nicht schon einschlägige Erfahrungen damit gemacht hätte (ihr wisst das ja als treue Blog-Leser), wäre ich niemals davon aufgewacht. Ich stand auf und ging ins Cockpit und tatsächlich: das Nachbar-Boot war doch gestern noch nicht so nah gewesen?

Ich weckte Simon auf und er bestätigte meine Befürchtung. Der Anker hatte keinen Halt und slippte über steinigem Grund. Simon beschloss, umzuankern und startete den Motor. Rachel stand am Bug bereit, um den Anker hoch zu winschen. Urplötzlich ging der Motor jedoch aus und ließ sich nicht wieder starten. Ausgerechnet jetzt, wo wir auf ein anderes Boot zu trieben! Simon betätigte die Druckkluft-Fanfare, die im Cockpit bereit liegt, um die ganze Mannschaft zu wecken, wenn Not am Mann ist. Endlich kam der Nachbar schlaftrunken an Bord und ließ, nachdem wir ihm die Lage erklärt hatten, noch weitere 10 Meter Ankerkette aus. Nun hatten wir wieder ein bisschen Luft.

Der Anker hatte sich nun irgendwo verfangen und für den Moment hingen wir wieder fest. Auf der Suche nach dem Fehler prüfte Franz die Diesel-Zufuhr des Motors und versuchte, die Einspritz-Anlage zu entlüften. Dies hatte jedoch keinen Erfolg und der Motor wollte einfach nicht mehr starten.

Da uns der starke Wind hin und her schwoien ließ, kamen wir einer Boje, die 10 Minuten zuvor noch unerreichbar war, immer näher. Ich rief nach unten, wo Franz, Simon und Rachel am Motor zugange waren, und wir versuchten, die Boje mit dem Bootshaken einzufangen. Und tatsächlich, Simon konnte sie fassen und nach oben ziehen und wir machten auf die Schnelle Leinen daran fest. Jetzt waren wir erst einmal wieder sicher. Sozusagen in letzter Minute, da der Anker mittlerweile frei war. Nun war klar, dass im Rahmen des Tauschens der Diesel-Filter am Vortag Luft in die Einspritz-Anlage eingedrungen war und deswegen der Motor nicht startete. Das war wieder einmal typisch: genau in dem Moment, wo der Motor ganz dringend gebraucht wird, geht er nicht.

Da wir im Moment nichts mehr machen konnten, gingen wir alle wieder ins Bett. Am frühen Morgen wachte ich vom Motoren-Geräusch auf. Simon hatte in der Nacht immer wieder das Entlüften versucht und irgendwann auch Erfolg gehabt. Frühmorgens suchte er sich dann einen anderen Ankerplatz mit besserem Haltegrund. Noch oft bedankten sie sich an diesem Tag bei mir dafür, dass ich das Schiff durch meinen leichten Schlaf gerettet hatte.

An unserem letzten Tag gingen wir drei Mädels noch einmal ein bisschen wandern, während Franz und Simon am Generator zugange waren. Wir erkundeten das südliche Ende Hortas mit der wunderschönen Badebucht. Nur ein paar Einheimische waren hier am dunklen Strand. Auf einem Aussichtspunkt im gegenüberliegenden Hügel hatten wir einen wunderschönen Blick auf Horta und die Südküste Faials. Wir ließen uns Zeit und genossen die Sonne, die üppige Natur und den schönen Ausblick.

Auf dem Rückweg lud Reni uns in ein nettes Restaurant ein, an dessen Tisch wir einen schönen Blick auf die Bucht hatten. Wir aßen mehrere Brotaufstriche mit Ziegenkäse und Oliven zur Vorspeise, einen leckeren Fischtopf mit Gemüse und Süßkartoffeln zur Hauptspeise und einen Eisbecher und ein Schoko-Mousse zum Dessert. Dazu gab es einen sensationellen Weißwein aus den Azoren.

Abends gingen wir alle zusammen noch in eine Kneipe, die wir entdeckt hatten. Im Innenhof des historischen Gebäudes spielte ein junger Segler, der sich so sein Geld verdient, als Alleinunterhalter. Er spielte auf acht Instrumenten und sang alte Südstaaten-Lieder. Wir tanzten ausgelassen und feierten unsere erfolgreiche Überfahrt.

Franz hatte sich entschieden, mit uns nach Hause zu fliegen. Ursprünglich hatte er erwägt, noch mit der Princess bis Spanien weiter zu segeln. Aber da überhaupt nicht klar war, wann und wie der Inmast-Furler und das Ruderschaft repariert werden sollten, machte das keinen Sinn. Simon wusste nur, dass er das Boot auf der Nachbar-Insel aus dem Wasser holen wollte. Aber wann und für wie lange war noch nicht klar. So machten wir drei uns auf zum Heimflug. Der Abschied fiel uns uner-wartet schwer. Schließlich war die Princess in den letzten vier Wochen unser Zuhause gewesen und hatte uns sicher und zuverlässig über den ganzen Atlantik getragen. Simon und Rachel waren tolle Gastgeber und Freunde gewesen und hatten uns bestimmt schon zehnmal eingeladen, jederzeit auf der Princess willkommen zu sein. Wir hatten die Princess, alle schönen und weniger schönen Momente, viele Sorgen, Gedanken und Gefühle und Freud  und Leid miteinander geteilt. Das schweißt zusammen. Dementsprechend war der Abschied. Aber wir wussten auch ganz sicher, dass wir uns irgendwo und irgendwann wiedersehen werden.

Wir haben auf unserer Reise die unbändige Gewalt von Wind und Wetter, die Schönheit und Vielfalt des Meeres und seiner Bewohner, die Lebensfreude und Quirligkeit der Delfine, die erhabene Ruhe der Wale, aber auch die erschreckende Plage Millionen von Quallen und riesiger Flächen von Sargasso-Gras erfahren dürfen. Wir konnten hautnah erleben, wie sich Überfischung, Überdüngung und Klima-Wandel auf das Öko-System der Ozeane auswirkt. Ich möchte zum Abschluss noch allen, denen unser Planet, die Natur, eine gut funktionierende Balance von Flora und Fauna und nicht zuletzt die Lebensqualität unserer Kinder und Enkel nicht egal sind, einen Film ans Herz legen. Wenn jeder sich einmal Gedanken macht, was wir unserer Erde antun und wie jeder ein kleines bisschen beitragen kann, um das zu ändern, wäre schon viel getan. Auch wenn vielleicht der ganze Film sehr schwarz gemalt ist, kann keiner verleugnen, dass nicht ein wahrer Kern darin steckt. Wir jeden Falls werden ganz bestimmt etwas an unserem Verhalten etwas ändern. Wenn das jeder tut, ist schon viel gewonnen.

Der Film heißt „Sea spiracy“  und kann auf Netflix gefunden werden.

Atlantik – Woche 3

Atlantik – Woche 3

Tag 14:

Jippiiiih. Endlich sind wir nach Osten Richtung Azoren abgebogen! Alle, die unseren Track verfolgen, denken wahrscheinlich wir haben unser Ziel spontan nach Island verlegt, da dorthin unsere Kurslinie zeigte. Wegen der vorherrschenden westlichen Windrichtung im Passat-Gürtel sind wir die letzten beiden Wochen hauptsächlich in eben diese Richtung, also Nord – Nordost gesegelt. Der Plan war, solange nach Norden zu segeln, bis wir auf der Rückseite eines Tiefdruck-Gebietes, das wir dort zu finden hofften, mit dem dann östlich setzenden Wind nach Osten geblasen werden.

Ich muss zugeben, da Geduld nicht meine stärkste Eigenschaft ist, hat mich das sehr herausgefordert. Zu sehen, wie wir kaum Fortschritte nach Osten machten, und außerdem noch ein großes, windstilles Hochdruck-Gebiet durchqueren mussten, zwang mich dazu, mich der Situation einfach anzupassen, und abzuwarten. Was bleibt sonst schon übrig?

Dazu kam, dass Simon entschieden hatte, George nun wieder lenken zu lassen. Das Geräusch im Ruderschaft war auch mit Nutzung des Autopiloten da, und somit das Handsteuern überflüssig. Welch eine Erleichterung; ich hatte uns schon die restlichen Tage handsteuern sehen.

Als gar nichts mehr ging, motorten wir 18 Stunden lang und fanden dann wieder genügend Wind zum Segeln. „Wenn wir dieses Hoch durchquert haben, stoßen wir auf ein Tief mit östlichen Winden.“ Erklärte uns Simon seine aktuell empfangenen Wetterdaten. Leider änderten sich diese ständig, weswegen wir immer ein bisschen skeptisch mit unserem Optimismus waren. Aber dann, tatsächlich, als ich heute Morgen aufgestanden bin, waren wir Richtung Osten abgebogen und rauschten mit achterlichem Wind bei 8 Knoten direkt auf die Azoren zu. Der Wind kam leicht schräg von hinten, so dass wir lediglich das Großsegel mit einem sogenannten Gybe-Preventer (auf Deutsch: Bullenstander) sichern mussten. Die langen Atlantikwellen kamen ziemlich genau von hinten und liefen schön unter der Princess durchs Schiff, so dass wir auch kaum rollten (das ist die Bewegung längs der Schiffsachse), was sehr angenehm war.

Hinzu kommt noch, dass bei diesem Kurs das Geräusch des ausgeschlagenen Ruderlagers tatsächlich weg war. Das bedeutete, dass wir George, unseren Autopiloten wieder die Steuerarbeit machen lassen können. Herrlich! Wie Franz vorher schon beschrieben hat, wollte Simon das angeschlagene Ruderlager schonen, indem wir auf Handsteuerung umgestellt hatten. Dabei entstehen viel weichere Ruderbewegungen, denn George macht das ruckartig (er kann nur entweder Strom an oder aus). Das hieß aber auch für Rachel, Simon, Franz und mich, dreimal täglich 2 Stunden am Ruder zu stehen. Dabei muss man sich extrem auf den Kurs und den Windwinkel zum Schiff konzentrieren und unablässig mit dem Steuerrad nachkorrigieren. Das ist ziemlich anstrengend, und wir hofften sehr, dass das nicht bis in die Azoren so weitergeht. Unser Wunsch wurde erfüllt – wie schön.

In den letzten drei Tagen haben wir bereits drei andere Segelschiffe gesehen. Auch das sagt uns, dass wir den Azoren nun näherkommen. Fast jeder, der diese Passage macht, landet auf den Azoren an, deshalb werden wir nun möglicherweise mehrere Schiffe sehen. Das erste Segelschiff, das wir gesehen haben, kreuzte unseren Kurs abends, hatte aber leider sein AIS-System nicht an. Somit konnten wir ihn nicht identifizieren. Das zweite sah Rachel nachts auf dem Plotter (Steuer-Bildschirm) und funkte ihn an.

Das dritte kreuzte unseren Kurs heue Nacht. Es handelte sich um die SV Marlin eines berliner Pärchens. Ebenfalls wurde Kontakt per Funk aufgenommen und man verabredete sich auf ein Bier in Horta (das ist unser Ziel-Hafen in den Azoren).

Tag 18:
Heute ist es passiert: Franz hat zu seinen Shorts erstmals Socken angezogen. Nachts wird es schon ganz schön frisch und auch tagsüber, wenn die Sonne scheint, fühlt sich der Wind kühl an. Wir haben im Moment keinen blassen Schimmer, in welcher Zeitzone wir uns befinden und haben unsere Borduhr einfach mal um eine Stunde vorgestellt. Das ist eigentlich für uns nur wichtig, um mit den Wach-Schichten nicht durcheinander zu kommen. Somit wird es so um 03.30 Uhr hell und um 19.30 Uhr dunkel. Dazu kommt, dass auch der Wochentag meistens ganz schnell vergessen wird, weil man eben nicht zig mal am Tag das Datum schreiben muss. Wir haben uns ziemlich schnell daran gewöhnt, nicht nur nach der Uhr zu leben und es gefällt uns allen sehr gut.

Da wir die letzten fast 1000 sm immer nur vor dem Wind (also mit dem Wind von hinten) Richtung Osten segeln, haben wir das Hauptsegel, wie schon oben beschrieben, mit einem Preventer gegen eine unbeabsichtigte Halse gesichert. Gestern haben wir jetzt noch die Genua mit dem Pole ausgebaumt und segeln jetzt wunderschön im „Schmetterling“ (also ein Segel backbord, eines steuerbord) dahin. Immer wieder erstaunt uns das flotte Tempo, das die Princess vorlegt. Nicht selten übersteigen wir die 10 Knoten in Böen, aber 7 bis 9 Knoten sind für uns vollkommen normal. Der scheinbare Wind schwankt meistens zwischen 10 und 25 Knoten, vorgestern ging er dann auch mal auf 50 Knoten rauf (+ 9 Knoten Fahrt sind fast 60 Knoten wahrer Wind).

Vorgestern haben wir zweimal Delfine gesehen. Bei einer 3 bis 4 m hohen, langen Atlantikwelle kam eine ganze Gruppe und gab alles, um uns mit ihren Sprüngen und Kunststücken zu unterhalten. Auch ein ganz kleines Junges hatten sie dabei, das ebenfalls tapfer versuchte, uns mit seinen sehenswerten Sprüngen zu unterhalten. Je mehr wir „AAHHH“ und „OOOHHH“ schrien, umso mehr legten sie sich ins Zeug. Vielen Dank für diese tolle Abwechslung!!

Gestern Nachmittag dann sahen wir in einiger Entfernung im dann ruhigen Wasser viele Flossen aus dem Wasser ragen.  Franz und ich haben das schon einmal gesehen, es handelt sich um eine Schule Pilot-Wale. Wir dachten zuerst, sie bewegen sich auf uns zu, aber leider blieben sie weg.

Heute morgen, während meiner Wache, kamen wieder drei Delfine und schwammen eine zeitlang mit unserer Bugwelle um die Wette. Im Hintergrund ging die Sonne blutrot auf. Das war beinahe schon kitschig schön!

Tag 20:

Mittlerweile zählen wir die Delfine gar nicht mehr. An einem Tag hatten wir 7 Sichtungen, inkl. einer während Rachel`s Nachtwache. Sie hat sie zwar nur sehr schlecht gesehen, dafür aber die fluoreszierende Spur, die ihre Bewegungen in der ruhigen See verursachten. Dafür sind spezielle Algen verantwortlich, die bei Bewegung aufleuchten. Je nach Anzahl dieser Algen kann man das nächtliche, sogenannte „Meeresleuchten“ auch an der Spur sehen, die das Boot zieht. Das ist immer wieder wunderschön anzusehen.

Auch kamen wir inzwischen auf 4 Wale, die wir unterwegs gesehen haben. Einer in der Ferne, ein weiterer, kleiner direkt neben dem Boot und zwei, wahrscheinlich eine Mutter mit ihrem Kalb, in etwa 30 m Entfernung. Wir sahen jeweils ihre Rücken und ihre Atem-Blas-Wolke, die man bei ruhiger See sehr weit verfolgen kann. Was für ein Glück, das nicht jedem beschert ist.

Heute nun passierten wir die westlichste Azoren-Insel Flores. Sie zeichnete sich schon von weitem durch ihre steile Shiluete hinter den Wolken am Horizont ab. Es dauerte noch viele Stunden und wir konnten uns in aller Ruhe auf die erste Landsichtung nach drei Wochen freuen. Auch wenn jeder froh war, dass die Überquerung nun bald geschafft war, mischte sich auch ein bisschen Traurigkeit in unsere Emotionen. Zu schön waren die vielen sonnigen Tage mit „Champagner-Sailing“, wie die Engländer sagen. Das heißt, dass alles perfekt ist: eine komfortable Lage mit wenig Krängung, genug Wind und Speed, eine tolle Crew und leckeres Essen. Von allem hatten wir mehr als genug.

Die Princess legte immer eine respektable Geschwindigkeit vor, auch dank unseres Skippers, der nie müde wurde, die Segel aus- oder einzuholen, zu reffen, mal hier und mal dort die Leinen dicht- oder lose zu holen, den Windwinkel oder den Kurs zu ändern, zu wenden oder zu halsen, oder was auch immer, um das Material zu schonen und trotzdem möglichst schnell voranzukommen. Hier wurde seine jahrzehntelange Erfahrung offensichtlich; immerhin ist die Princess schon seine vierte, eigene Segelyacht.

Seine rechte Hand Rachel unterstützte ihn tatkräftig und war mit ihrem sonnigen Gemüt und ihrer netten Art, mit Händen und Füßen zu reden, immer eine Freude für alle.

Franz war voll in seinem Element. Nicht nur, dass er auch außerhalb seiner Wache immer für alles rund ums Segeln ansprechbar war und öfter als einmal auch in anderen Wachen eingesprungen ist, er half auch oft beim Kochen, buk Brot oder kümmerte sich (leider erfolglos) ums Fischen. Und natürlich hatte er mit seinem stets sonnigen Gemüt, das sich oft in einem herzhaften Lachen ergießt, auch einen großen Anteil an der guten Stimmung.

Reni als absolute Segelanfängerin bemühte sich sehr, so viel wie möglich zu lernen. Sie fragte nach, las in ihrem Segelbuch und wurde auch mehr und mehr in Segelaktivitäten eingebunden. Hauptsächlich aber verwöhnte sie uns alle mit unzähligen Tassen Tee und Kaffee, Snacks und täglich einem frischen, immer äußerst delikaten Abendessen. Egal wie sehr das Schiff krängte und hüpfte, es wurde geschnibbelt, gerührt, gebacken und angerichtet, was die Küche hergab. Und dank unserer drei großen Einkäufe in Sint Maarten hatten wir eine Menge Leckereien dabei.

Ich selbst habe bei diesem Tripp auch wieder sehr viel übers Segeln gelernt. Angefangen über Simon`s praktische Art, lange Leinen aufzuschießen, über die Wissenschaft des Segeltrimms bis hin zu seiner sehr materialschonenden Art, die Segel zu setzen und zu reffen. Ich war anfangs standby  für die Wachen, später dann zweimal am Tag für 4 Stunden selbst auf Wache. Ich ging Reni beim Kochen zur Hand, oder kochte auch mal mit Franz, schrieb zwischendrin an diesem Blog, las viel und genoss jede einzelne Minute Champagner-Sailing.

Tag 21:

Wegen des mittlerweile erreichten Azoren-Hochs fehlte  der Wind komplett und wir motorten die letzten 60 sm. Flores hatten wir hinter uns gelassen und die nächste Insel, Faial, sollte unser Ziel sein.

Simon stoppte den Motor, da nun endlich die Gelegenheit  war, bei null Welle und Wind, sowie nur noch sehr wenigen Portugiesischen Galeeren (die giftigen Quallen), eine Badepause einzulegen. Das ließen wir uns nicht zweimal sagen, hüpften ins gar nicht mal so kalte Wasser und schwammen einige Runden ums Boot. Das war, mit ca. 2000 Meter Wasser unter dem Kiel irgendwie sehr speziell. Wir hatten Spaß, machten mit  Rachels wasserdichter Kamera Selfies und hüpften und hechteten von der Rehling.

Wie auch Flores war Faial sehr grün und sehr hügelig und bergig. Am westlichen Ende der Insel kann man eine Landmasse sehen, die irgendwie nicht zum Rest passen will. Eine hohe, rötlich schimmernde Felsenmasse mit einem kreisrunden Loch daneben. Aus diesem wurde  in den 50er Jahren Lavamasse ausgestoßen, die nun die Fläche der Insel vergrößert hat. Man kann immer noch den alten Leuchtturm sehen, der mittlerweile im Landesinneren steht und durch einen neueren, mehr südlich stehenden, ersetzt worden ist.

Die ganze südliche Hälfte von Faial, die wir umrunden mussten, wurde durch steil abfallende Klippen gesäumt, die überraschenderweise aber grün bewachsen waren. Auf den dahinter aufragenden Hängen konnte man teilweise Felder erkennen, durch die eine einzige Straße führte. Alle Häuser, die wir sahen, waren entlang dieser Straße gebaut. Alles sah sehr europäisch aus, mit hübschen Kirchen dazwischen, friedlich und ruhig. Wir verliebten uns augenblicklich in diese Inseln und beschlossen, sie vor unserer Abreise auf jeden Fall noch zu erkunden.

Nachdem wir heute Morgen schon erstmals Besuch von den wesentlich größeren Tümmlern (jeder kennt „Flipper“) hatten, sahen wir direkt vor Faial wieder eine Gruppe dieser majestätischen Tiere. Sie kamen auch gleich herangeschossen und schwammen an unserem Bug. Zwar hüpften sie nicht, so wie die kleineren „Zügeldelfine“, die wir bisher gesehen hatten, aber trotzdem war es großartig, wie sie pfeilschnell, ohne erkennbare Bewegung, durchs Wasser schossen. Das Highlight unserer Delfinbesuche war aber eine Gruppe der Zügeldelfine, die wir nicht nur beobachten, sondern sogar hören konnten. Trotz der Wind- und Wassergeräusche konnte man das seltsam hoch klingende Piepsen deutlich hören. Reni hat einen kleinen Film mit ihrem Handy gedreht und sogar da konnte man es hören.

Als wir dann vor Horta in die Ankerbucht, die geschützt hinter einer Mole liegt, einfuhren, den Anker auf portugiesischem Grund legten und uns erstmal alle umarmten, kamen eine Menge Emotionen hoch.

Dankbarkeit: dass wir die Möglichkeit hatten, diese Überfahrt zu machen, dass alles so gut gegangen war, dass keiner seekrank war und alle gesund angekommen sind, dass wir so viel Glück hatten mit dem Wetter, dass wir so viele wunderschöne Momente erleben durften, für die tiefe Ehrfurcht, die die Natur uns gelehrt hatte, die wir oft so schändlich behandeln, und dass die Princess uns immer sicher getragen hat (obwohl sie die ein oder andere Blessur davongetragen hat).

Freundschaft:  dass wir uns so gut verstanden haben und zu einem richtigen Team zusammen-gewachsen sind, die Gewissheit, dass wir auf der Princess immer willkommen sein werden, so wie auch Simon und Rachel das bei uns immer sind, dass wir uns wertgeschätzt haben, für viele gute Gespräche und manche Umarmung, dass wir uns gegenseitig Mut zugesprochen, Verständnis gezeigt und uns aufgebaut haben, dass unsere gegenseitigen Erwartungen eher übertroffen wurden, dass jeder mit seiner Persönlichkeit zum Gelingen dieser Fahrt beigetragen hatte.

Stolz: dass wir 3000 Seemeilen am Stück hinter uns gebracht hatten, einen Ozean nur mithilfe des Windes überquert hatten (bei nur 24 Stunden Motoreinsatz), an Bord eines sich immer irgendwie bewegenden Schiffes zu leben, zu kochen, zu schlafen im Abstand von wenigen Zentimetern vom vorbeirauschenden Wasser, dass wir geduldig auf den richtigen Zeitpunkt für den optimalen Kurs gewartet hatten, dass wir uns getraut hatten, die Leinen loszuwerfen, uns auf dieses Abenteuer einzulassen, wo so viele Dinge einfach nicht planbar waren, wo man sich einfach auf die Situation einlassen und das Beste daraus machen musste, dass wir alle zugepackt, geholfen und beigetragen hatten, dass dieses Unternehmen gelingt.

Erleichterung: dass wir gesund angekommen sind, dass George einwandfrei gearbeitet hatte, dass unser Ruderschaft letztendlich durchgehalten hatte, dass wir das Großsegel auch ohne den Furler-Motor handeln konnten, dass keiner von uns bedauerte, dabei gewesen zu sein.

Wir segelten ca. 3000 Seemeilen, davon 24 Stunden unter Motor, brauchten 21 Tage, davon ging es 2 Wochen immer Richtung Nord – Nordwest und eine Woche Richtung Osten, wir kamen ganz knapp an die Juni-Eisgrenze im Neufundland-Becken, hatten zweimal einen stinkenden, fliegenden Fisch an Bord, 4 Wale,  unzählige Delfine, Millionen von Portugiesischen Galeeren, über die ganze Strecke immer wieder Vögel und zwei Schildkröten gesehen, hatten Wind von null bis knapp 70 Knoten, eine Höchstgeschwindigkeit von 11 Knoten, ein größtes Etmal von 180 sm innerhalb von 24 Stunden, hatten Wellen von null bis ca. 4 Meter Höhe, haben ca. 25 Tafeln Schokolade, 60 Liter Milch, 15 kg Kartoffeln, 180 Eier, 28 Küchenrollen und 12 Gläser Nescafe verbraucht, haben schwäbisch (Spätzle), bayerisch (Krautsalat, Hackbraten, Semmelknödel), italienisch (Pizza, Pasta, Gnocchi), thailändisch (chicken-WOK), mexikanisch (Enchiladas), karibisch (MahiMahi), österreichisch (Kaiserschmarrn, Cordon Bleu), englisch (Pork-stew; die süßen Bohnen auf Toast haben wir erfolgreich verweigert) und jede Menge selbst erfundene Gerichte gekocht, haben in einer Kabine in einer Nacht 30 Moskitos erschlagen (in der Marina in Sint Maarten, nicht auf See), haben den Generator ca. 120 Stunden laufen gelassen, drei von uns hatten 168 Stunden Wache,  plus die anderen jeweils Bereitschaft, Reni hat sich an der Türe links und rechts der Stirne ein Horn geschlagen, dann noch einmal frontal mit dem Kopf gegen die Wand plus etliche blaue Flecken, Simon hat sich die Zehen dreimal blutig geschlagen (aber er zieht ja auch generell keine Schuhe an), wir haben ca. 5 Frachter oder Tanker gesehen und dreimal ein Segelschiff.

Und wie immer im Leben kann man eine große Herausforderung nur bewältigen, wenn man einfach den ersten Schritt macht.

Atlantik – Woche 2

Atlantik – Woche 2

Tag 8:

Nach dem Sturm, wie kann es anders sein, folgten wieder lange Phasen von sehr wenig Wind. Wir dümpelten fast auf der Stelle und die Segel schlugen in den Wellen hin und her. Das tut einem in der Seele weh, weil das Material sowohl der Segel, als auch des gesamten Riggs sehr ermüdet wird. Simon fand auf dem Vorschiff einen Bolzen, was uns allen sehr große Sorgen machte. Woher kam der? Da wird doch hoffentlich nichts Wichtiges am Mast im Sturm gebrochen sein? Das ist der absolute Albtraum jedes Seglers. Viele Stunden grübelten wir darüber nach, was das Problem sein könnte. Sobald wir eine ruhigere See hatten, krabbelte Rachel aufs Vordeck und kontrollierte alles. Erst sah sie nichts Auffälliges, dann entdeckte sie, dass der Bolzen einer Rolle der Reffeinrichtung unseres Vorsegels abgebrochen  war. Somit war die Herkunft des Bolzens geklärt. Der Schaden konnte schnell behoben werden und die Erleichterung war unbeschreiblich.

Nachmittags nimmt der Wind dann zu. Wir genießen die Sonne und sind bester Laune. Die Princess wird von der langen Atlantikwelle auf- und ab bewegt und schneidet elegant durch die Wellen. Rachel lässt ihre playlist laufen und wir tanzen zu Queen im Cockpit. In solchen Momenten ist jeder Sturm, jeder blaue Fleck, jede schlaflose Nacht und jeder Küchenunfall wieder vergessen. Es ist einfach nur schön, in der Mitte des riesigen Atlantiks dahin zu segeln, Corona und all die anderen Alltagssorgen weit weg zu wissen, und auf die heranlaufenden Wellen zu sehen.

Immer wieder beobachten wir Vögel, die es bis hierher, über 1000 sm vom nächsten Land weg, geschafft haben. Wenn man bedenkt, dass wir dafür gut eine Woche gebraucht haben, ist das eine enorme Leistung. Sie lassen sich elegant vom Wind treiben und schießen hin und wieder ganz knapp über der Wasseroberfläche dahin.  In den Wellentälern kann man sie dann oft gar nicht mehr sehen.

 

Tag 9:
Ein absolut traumhafter Segeltag. Die Sonne schickt uns wärmende Strahlen. Eine Wohltat, denn mittlerweile haben wir uns so weit nach Norden hochgearbeitet, dass es schon merklich kühler geworden ist. Noch werde ich mit meinen Socken und Schuhen belächelt, aber es wird nicht mehr lange dauern, und alle werden mir folgen.

Heute gibt es eine leckere Karotten-Suppe. Als wir gerade um den Tisch im Salon sitzen und Karotten schnippeln, geht eine besonders hohe Welle über das Vorschiff. Da unser Salon-Fenster ein bisschen geöffnet ist, bekommen wir alle eine ordentlich Salz-Spülung. Nachdem Franz gestern beim Essen unter Deck eine Bierdose umgefallen ist, die er nicht festgehalten hat, nun also Salz auf Bier im Salon überall. Lecker.

Tag 10:
Heute ist wieder ein sehr schöner und ruhiger Segeltag. Keine Squalls und eine sehr angenehme, lange Welle, dazu Sonne und den ganzen Tag 6 Knoten Fahrt. Es fühlt sich fast an, wie Bus fahren.

Simon sitzt stundenlang am Laptop und versucht, das Wetter herunter zu laden. Das dauert extrem lange, da er es über das Iridium Satelliten-System machen muss. Je größer er das Gebiet wählt, und je mehr Informationen (z. B. Strömung, Wellen etc.) er anfordert, umso länger dauert es. Aus den 5 wichtigsten Wetter-Diensten versucht er dann, die für uns beste Route zu ermitteln. Da sich die  Hochs und Tiefs jedoch ständig verändern und wandern, muss die Route immer wieder angepasst werden. Den Weg, den man heute einschlägt, kann man unter Umständen morgen schon wieder durch einen neuen Kurs ersetzen müssen.

Mittlerweile hat Simon einen derartigen Schlaf-Rückstand, dass wir vereinbaren, dass ich eine Wach-Schicht von 4.oo Uhr bis 8.oo Uhr übernehme, und er als Springer zur Verfügung steht, wenn wir ihn brauchen. Als für das Schiff und die Crew verantwortlicher Skipper hört er auch im Schlaf jedes ungewöhnliche Geräusch und kommt dann oft ins Cockpit, um nach dem Rechten zu schauen. Dazu kommt noch, dass er, wie ich und Reni auch, nicht auf Knopfdruck schlafen kann. Diese sehr nützliche Gabe haben nur Franz und Rachel.

Tag 11:

Das schöne Wetter bleibt uns treu und wir haben wieder das, was Simon „Champagner Sailing“ nennt. Wir gleiten mit 5-6 Konten durch das Wasser und die Atlantik-Welle hebt uns ganz gemächlich auf und ab. Genug Zeit, um zu lesen, zu schreiben, zu träumen, oder einfach nur auf diese unfassbare Wasserfläche zu schauen. Man glaubt es nicht, aber das wird irgendwie nie langweilig. Immer neue Wolkenbilder formieren und ändern sich und die Sonne zieht eine glitzernde Bahn über das Wasser. Ab und zu  kann man Vögel beobachten, während man so gut wie nie andere Schiffe sieht. Nur ein paar Mal haben wir in der Ferne Frachter gesehen, oder auf unserem Radar beobachtet.

Wir haben beschlossen, heute unser Bergfest zu feiern. Da wir natürlich weder die genaue Strecke, noch die genaue Fahrtzeit wissen, ist der Zeitpunkt wahrscheinlich eher etwas zu optimistisch. Aber was soll`s. Wir können ja in ein paar Tagen noch einmal feiern. Es wird zum Diner Cordon bleu mit Kartoffelsalat geben. Yummi! Da wir kaum Krängung haben, werden die Kartoffeln im Cockpit geschält und Franz klopft die Schnitzel im abendlichen Sonnenlicht. Wie romantisch.

Gerade als Franz und ich dabei waren, die Cordon Bleu zu braten, ging die Sonne spektakulär unter. Rachel, Simon und Reni beobachteten, wie die Sonne ausnahmsweise ohne von Dunst oder Wolken verdeckt zu sein, hinter dem endlosen Horizont verschwand. Auf einmal hörten wir sie begeistert über den ungewöhnlich langen Green-Flash reden, den sie gesehen hatten. Bei klarem Wetter kann man manchmal einen grünen Farb-Strahl aufblitzen sehen, genau da, wo die Sonne einen Lidschlag vorher untergegangen ist. Manche Segler haben noch nie einen gesehen, Franz und ich jeweils schon vorher, aber dieser war wohl besonders schön. Schade, dass wir abgelenkt waren. Immerhin waren die Cordon Bleu und der Kartoffelsalat mega-lecker. Wir stoßen mit einem guten Glas Weißwein an (danke, Reni) und lassen es uns so richtig schmecken. Die deutsche Küche kommt bei unseren englischen Gastgebern sehr gut an. Nur ab und zu gibt es für die beiden einen Toast mit Marmade (eine Art salzige Maggi-Paste) und gekochtem Ei als Zwischen-Snack.

Tag 12:

Während Franz` Nachtwache hat sich der Motor der Rollreff-Einrichtung im Mast verabschiedet. Das heißt, urplötzlich konnte man das Großsegel nicht mehr ein- noch ausrollen. Nach mehreren Versuchen konnten Simon und Franz das Segel mit Muskelkraft bis auf die Hälfte reffen, also verkleinern. Da kann bei plötzlich auftretendem Starkwind schon mal nicht mehr viel schiefgehen.
Danach schickte Simon alle ins Bett. Als der Wind dann auch komplett einschlief, beschloss er, alle Segel einzuholen, das Boot driften zu lassen, und ebenfalls etwas zu schlafen. Die Müdigkeit und Erschöpfung holten ihn nun wirklich auch ein. Warum er nicht einen von uns weckte, um Wache zu gehen, weiß ich nicht. Auf jeden Fall wollte er gerade im Cockpit alle Geräte ausschalten und sich hinlegen, als er zwei (!) Schiffe sah. Eines davon kreuzte unseren Kurs in gerade Mal 1,5 sm Entfernung. Sofort war er wieder hellwach und blieb im Cockpit, warum er auch den danach wieder aufkommenden Wind registrierte.

Als ich um 4.oo Uhr meine Wache antrat, hatte er die Genua gesetzt und wir machten gut 6 Knoten Fahrt bei gerade einmal 15 Knoten Wind. Die See war immer noch flach und ein bezaubernd schöner Morgen erwartete mich.

Simon zeigte auf schwimmende, weiß und durchsichtig glitzernde Objekte, die zu hunderten im blauen Atlantik schwammen. Auf den ersten Blick dachte man, es wären Plastik-Teilchen, aber bei genauerem Hinsehen war es etwas ganz anderes. Ein kleines, halbrundes Segel stand aufrecht im Wasser, halb durchsichtig und in der Sonne schillernd wie eine Seifenblase. Der Rand dieses Segels war zart rot eingefasst und unter Wasser hingen noch einige Schnürchen in die Tiefe. War das eine Art Fisch? Oder Qualle? Als Rachel aufstand, holte sie ihr Fisch-Bestimmungs-Buch und wir fanden bestätigt, was wir inzwischen vermuteten: es waren Portugiesische Galeeren. Eine der giftigsten Quallenarten der Welt. Sie segeln mit ihrem handflächengroßen Auftriebskörper an der Wasseroberfläche und lassen ihre Tentakel, die mehrere Meter lang sind, nach unten hängen. Stößt ein Fisch daran, wird er augenblicklich durch das Nesselgift getötet und die Qualle verdaut anschließend die Beute. Gestern noch hatten wir davon geredet, dass ich in dem Flautengebiet, das wir demnächst laut Wetterbericht passieren werden, bei einer Null-Wind-Phase gerne ein bisschen im Atlantik schwimmen würde. Ich glaube, das lass ich lieber bleiben. Diese Quallen sollten uns noch die nächsten Tage in einem Gebiet größer als die Bundesrepublik zu Tausenden begleiten.

Eine andere, sehr besondere Begegnung ereignete sich kurz darauf. Franz und ich saßen neben-einander im Cockpit und beobachteten die vorbeirauschenden Wellen, als wir plötzlich beide gleichzeitig eine Wasserfontäne und einen grauen Rücken in etwa 400 m Entfernung sahen. „Ein Wal!“ riefen wir beide und sofort kam der Rest der Crew, die gerade alle versuchten, Schlaf nachzuholen, aus ihren Kajüten ins Cockpit getapst. Immer wieder konnten wir die Atem-Fontäne sehen, und auch den Rücken an der Wasseroberfläche. Leider hatte es die Princess sehr eilig (was wir sonst sehr an ihr schätzen) und wir überholten ihn. Noch lange konnten wir ihn achteraus blasen sehen und freuten uns sehr, dass wir dieses Schauspiel erleben durften.

Franz:

Für den technischen Part unserer Reise hat Michi mich gebeten, einige Sachverhalte zu erklären, die die Schiffstechnik betreffen. Ein altes Sprichwort sagt: segeln bedeutet, repariere dein Schiff an den exotischsten Plätzen der Welt. Bei uns hieß das, mitten auf dem Atlantik. Nachdem wir bereits in Sint Maarten unseren Autopiloten erneuern mussten, sind wir auch während unserer Passage über den Atlantik nicht von diversen Systemausfällen verschont geblieben. Bereits am zweiten Tag unserer Reise viel uns auf, dass unser Tiefenmesser im mehrere tausend Meter tiefem Wasser immer wieder Untiefen anzeigte. Anfangs vermuteten wir, dass Fische oder Unrat für die Fehlmessungen verantwortlich waren, die nahe dem Tiefenmess-Sensor mitschwammen. Doch die Vielzahl dieser fehlerhaften Anzeigen ließen daran Zweifel aufkommen. Mit der Zeit wurden daraus nervenaufreibende Anker-Alarme (bei einer Wassertiefe von weniger als  2,7 Meter ertönt ein Alarmton, der sich alle 30 Sekunden wiederholt). Leider war der Tiefenmess-Sensor im Schiff sehr schwer zu erreichen, da jeder Hohlraum mit Lebensmitteln verfüllt war. Aus diesem Grunde musste dieser Fehlalarm von Zeit zu Zeit resettet werden, eine sehr nervige Angelegenheit, da das Piepsen mitunter in Abständen von nur wenigen Sekunden von Neuem anfing.

In etwa auf halbem Weg merkten wir, dass sich der Elektromotor der Roll-Reff-Einrichtung von Mal zu Mal schwerer tat, dass Großsegel in den Mast einzurollen. Und eines Nachts gab er schließlich mit halb eingerolltem Segel auf. Zu unserem Glück flaute der Wind ab und auch die Wellen waren zu diesem Zeitpunkt sehr moderat. Schließlich konnten wir mittels eines Adapters und eines Akkuschraubers das Segel per Hand einrollen. Von da ab ließen wir das Großsegel gerefft stehen, um diese Prozedur nicht noch einmal wiederholen zu müssen.

Zwei Tage später hörte Simon ein klopfendes Geräusch, wenn der Autopilot seine Arbeit verrichtete. Eine spätere Überprüfung unserer Ruderanlage (Lenkung) ergab, dass eines der Lager unseres Ruderschaftes Spiel aufwies. Da Simon Angst hatte, bei weiterer Betätigung des Autopiloten dieses Spiel im Lager zu vergrößern, entschied er sich dafür, ab diesem Zeitpunkt händisch zu steuern. Für uns hieß es ab dann, zwei Stunden steuern, sechs Stunden Pause. Das hieß, zwei Stunden lang am Steuer zu sitzen, immer auf die Windmess-Anzeige oder den Kompass zu starren, und zu versuchen, das Schiff im richtigen Winkel zum Wind zu halten. Sobald man, verursacht von Wellen, die seitlich auf das Ruderblatt prallen, ein bisschen zu viel vom richtigen Winkel abkam, hatte man so viel Winddruck im Segel, dass man zu schaffen hatte, wieder zurückzusteuern. Das war vor allem nachts sehr anstrengend, da dann auch noch die Müdigkeit dazukam.

Atlantik – Woche 1

Atlantik – Woche 1

Tag 2:
Wir starteten unsere Überquerung mit 30 bis zu 35 Knoten scheinbarem Wind bei 5,5 bis 7,5 Knoten Fahrt am Wind und kurzer Welle von ungefähr 2 – 2,5m. Das bedeutete eine ziemliche Krängung (also Schieflage) und eine auf und ab stampfende Princess. Das Leben an Bord war dementsprechend erschwert. Bei jedem Schritt musste man sich festhalten, damit man nicht quer durchs Schiff geschleudert wurde. Ein Toilettengang war eine sehr anspruchsvolle, gymnastische Übung und jeder Handgriff erforderte eine wohl durchdachte Einklemmung, Abstützung oder anderweitige Sicherung. Beim Kochen am Herd gibt es z. B. einen Gurt, mit dem man sich festschnallen kann, damit man beide Hände frei hat. Für Rachel, Reni und mich war es in den ersten Tagen nicht leicht, unter Deck zu gehen, denn wir fühlten uns nicht wirklich wohl. Auch ich litt dieses Mal ein bisschen unter Seekrankheit und wir drei nahmen vorsichtshalber ein Stugeron ein. Mehr als einmal fragte ich mich, was zur Hölle mich geritten hatte, mir das freiwillig anzutun.

Ich war ständig müde und schlief sehr viel. Beim Schlafen hatte ich die Auswahl des Doppelbettes in der Bug-Kabine, oder aber einem Bett in einer sehr kleinen Durchgangskabine unter dem Cockpit. In der Bug-Kabine war es unheimlich laut. Der Bug kämpft sich durch die Wellenberge und es hört sich jedes Mal wie eine kleine Explosion an, wenn wieder eine Wand aus Wasser dagegen knallt. Außerdem hört man hier das vorbeirauschende Wasser am stärksten; schließlich ist man nur durch eine wenige cm dicke Glasfaser-Komposit-Schicht vom Wasser getrennt. Zudem ist im Bug die Auf- und Ab-Bewegung des Bootes am Meisten spürbar. Gerade in diesen ersten beiden Tagen hüpfte die Princess extrem, da die Wellen sehr kurz nacheinander kamen. Man wird also ordentlich durchgerüttelt, hüpft mitunter wie ein Gummiball auf- und ab, und wähnt sich aufgrund der Geräuschkulisse in einem Kriegsgebiet inmitten einer Waschmaschine. Dazu kommt noch, dass man hier auf gar keinen Fall irgendein Fenster öffnen kann, weil der Bug ja permanent ins Wasser eintaucht und man sein Bett nicht mit Fischen teilen will. Da wir aber aus den Tropen starteten, hieß das warm und stickig. Für Franz ist das alles kein Problem. Er schläft schon, wenn er das Kissen berührt, egal ob Gummiball, Kriegsgebiet, Waschmaschine oder Treibhaus.

Ich wählte dann lieber das Stockbett unter dem Cockpit, obwohl man hier definitiv keine Platzangst haben darf. Da sich die Kabine etwas hinter der Mitte des Schiffes befand, waren hier die Schiffsbewegungen am wenigsten spürbar. Man konnte ein kleines Fenster zum Cockpit öffnen und ich viel nicht raus, weil die Kabine auf der windabgewandten Seite des Bootes lag. Perfekt.

Wir hatten drei Wach-Schichten von jeweils 4 Stunden eingeteilt. Simon, Rachel und Franz waren jeweils 4 Stunden „on“ und „off“. Reni und ich hatten jeweils 6 Stunden Bereitschaft (also on) und 6 Stunden frei (also off). Wir sollten also helfen, falls irgendetwas zu tun war. An diesen Rhythmus und an die Bootsbewegungen musste sich der Körper erst mal gewöhnen. Das dauert normalerweise so um die 3 Tage.

Tag 3:
Das Wetter war sehr gemischt. Sonne und Wolken und gelegentliche Squalls (also Regenschauer mit Windböen). Der Wind war mittlerweile nicht mehr ganz so stark, dafür aber wechselhaft und änderte auch die Richtung, was uns zu gelegentlichen Wenden zwang. Einmal war Rachel gezwungen, die Stellung des Bootes zum Wind zu ändern und merkte dabei nicht, dass sie mittlerweile komplett den richtigen Kurs verloren hatte. „Oh, we`re sailing to America.“ kam Simon ins Cockpit. Das ist der erste Haken, den man an unserer Kurslinie ganz gut erkennen kann. Aber wenn man die ganze Strecke von ungefähr 3000 sm (also Seemeilen, das sind ca. 5400 km)  im Blick hat, ist so ein kleiner Umweg nicht schlimm.

Wir hatten uns schon einigermaßen an die Bootsbewegungen und den Wach-Rhythmus gewöhnt. Die Wellen waren nun viel kleiner und länger, was alles sehr viel einfacher machte. Immer noch eine echte Herausforderung war das Kochen. Die meisten Segelboote haben einen Kühlschrank, den man von oben aufmachen kann. Da kalte Luft nach unten sinkt, ist auch etwas längeres Öffnen kein Problem. Die Princess jedoch hat einen nach vorne zu öffnenden Kühlschrank, der außerdem alt und schlecht isoliert ist. Man muss also das Öffnen möglichst kurz halten, weswegen es ja auch den Kühlschrank-Plan gibt (siehe vorhergehender Blog). Das ist aber sehr schwierig, wenn einem der Inhalt beim Öffnen entgegenkommt und man alle Hände zu tun hat, dass nicht alles rausfällt. Mehr als einmal landete ein Joghurt so in der Pantry. Um dann irgendetwas mit beiden Händen vorzubereiten, muss man sich ständig gegen die Bootsbewegungen stemmen, um nicht umzufallen. Macht euch also darauf gefasst, dass wir mit deutlich gestärkten Oberschenkeln heimkommen werden. Der Ofen ist kardanisch aufgehängt, schwingt also frei. Wenn man das sieht, wird es einem oft erst bewusst, wie sehr man sich selbst von der Horizontalen entfernt hat. Nichtsdestotrotz zaubern wir täglich ein gemeinsames Abendessen, wie z. B. Gulasch mit Semmelknödel, mit Feta überbackenes Gemüse oder Kässpätzle. Bei 7 Knoten Fahrt schon eine Herausforderung.

Ein anderes Problem, das wir haben, ist, dass der Kühlschrank und der Gefrierschrank relativ viel Energie benötigen. Der Kühlschrank hatte sich z. B. am Tag 3 schon von 7 auf 9 Grad erhöht. Um das wieder runter zu kühlen, musste der Generator 4 Stunden laufen.

Heute, am Pfingst-Montag Nachmittag schlief der Wind ein und wir segelten fast aufrecht mit 4 Knoten dahin. Das war eine gute Gelegenheit, eine kurze Dusche zu nehmen, ohne im Bad hin und her geschmissen zu werden. Wir genossen die Sonne auf dem Vordeck und hörten die mitgebrachte Musik. Längst schon waren die ersten beiden, nicht gerade angenehmen Tage vergessen und ich war einfach nur dankbar, dass ich diese Überfahrt mitmachen kann.

Später mussten wir noch einmal die Richtung ändern, um wieder in ein Gebiet mit mehr Wind zu gelangen.

Tag 4:
Gutes Wetter und relativ ruhige See. Eine angenehme Atlantik-Welle hebt die Princess langsam auf und ab und wir krängen nicht allzu sehr. Die Princess ist eine kleine Sprinterin, sie liebt es schnell und sportlich und wir kommen gut voran. Mit 23 Knoten Wind segelt sie 60 Grad am Wind gute 8 Knoten schnell. Das merkt man gar nicht wirklich, weil wir aufgrund der ruhigen See nicht übermäßig auf- und ab hüpfen. Es macht Spaß, im Salon am Fenster die vorbeirauschenden Wassermassen zu beobachten.

Besonders schön sind auch die Nächte, da wir gerade Vollmond haben. Das Mondlicht zieht eine silbrige Spur über das Wasser und alles erscheint im sanften Licht unwirklich und zauberhaft. Die Sterne blinken und man kann viele Sternschnuppen sehen. In solchen Momenten vergisst man all die anderen, in denen man sich an einen trockenen, ruhigen und unbeweglichen Ort gewünscht hat.

Tag 5:
Die Sonne kommt gegen die Wolken nicht mehr an. Immer wieder kommen Squalls (Regengüsse) mit Windböen bis zu 40 Knoten. Im Vorfeld eines Squalls fällt der Wind ziemlich ein, da dieser den Wind aus seiner Umgebung einsaugt. Man segelt also munter mit gerefften Segeln bei 25 Knoten Wind dahin. Von jetzt auf dann vielleicht noch 5 Knoten Wind, was die Fahrt fast komplett stoppt. Dann holt man seine Segel wieder raus. Kaum ist man damit fertig, schnellt die Windanzeige wieder nach oben und Princess startet wieder los. Segel also wieder reffen. Dann kommt meistens mehr oder weniger Regen und die gefürchteten Böen. So geht es den ganzen Tag.
Abends passiert es dann. Beim Versuch, das heiße Blech mit dem Gemüse aus dem Ofen zu ziehen, schwankt die Princess bei 7 Knoten Fahrt so sehr, dass mir das Blech entgleitet. Das gerade fertige Gemüse rutscht vom Blech und verteilt sich im Gas-Brennraum und schlüpft in jede Ritze. Shit!
Spätabends sehen Franz und ich erste Gewitter mit Blitzen. Wir packen alle Handys und iPhones in die Mikrowelle, um sie vor einem evtl. Blitzschlag zu schützen.

Tag 6:
Das Gewitter baut sich immer mehr auf. Während Simon`s und Reni`s Wache hört Reni bei 100 Blitzen auf, zu zählen. Die Gewitterwand wurde immer dunkler und kam immer näher. Wie oft direkt vor einem Squall oder Sturm war auf einmal der Wind weg. Wir dümpelten mit 1 – 2 Knoten dahin und die Sturmfront kam von hinten immer näher. Simon reffte alle Segel und holte die Genua ein. Die gesamte Front teilte sich, überholte uns halb und schloss uns dann vollständig ein. Jetzt waren wir mittendrin gefangen. Dann ging es los. Die Böen peitschten mit bis zu 50 – 55 Knoten und auf dem Radar sah man, dass die Sturmfront riesig war. Simon warf den Motor an und versuchte, aus dem Sturmgebiet zu fahren. Nach 5 Stunden gab er auf – es war einfach zu riesig.

Nun hatten wir genau das, was man auf jeden Fall vermeiden will: wir waren mitten in einem riesigen Sturm gelandet. Keiner von unseren 5 Wetterprognosen hatte einen Sturm dieser Kategorie vorhergesagt. Der Wind peitschte mit weit über 50 Knoten schnell, bis zu 66 Knoten in Böen. Wir machten 8 Knoten Fahrt am Wind mit nichts als einem gerefften Sturmsegel und einem kleinen Zipfel des Großsegels. Nun versuchten wir, am Wind das Sturmgebiet zu durchsegeln.  Gottseidank hatten wir die Seekrankheits-Phase schon hinter uns, spätestens jetzt hätte es uns bestimmt erwischt.

Franz war einfach großartig. Von 5 Uhr Früh bis weit in den Vormittag hinein stand er am Ruder, unterstützte George, den Autopiloten, immer wieder mit manueller Steuerung und war allerbester Laune dabei. Jedes Mal, wenn ihn wieder eine Welle von oben bis unten nass wusch, hörte man ihn jauchzen und lachen. Er stemmte sich mit seinen kräftigen Oberschenkeln gegen die Schiffsbewegungen und beteuerte immer wieder, wie viel Spaß ihm das machte. Der Himmel und die See waren drohend und dunkel und die schäumenden Wellenberge rings um uns sehr beeindruckend, wenn auch mit etwa 2,5 m bis 3,5 m Höhe noch nicht dramatisch. So etwas hatten wir alle zusammen noch nie erlebt. Die Princess hielt sich tapfer. Sicher und unaufgeregt trug sie uns durch den Sturm.

Wir sind dann mal weg

Wir sind dann mal weg

Gaaanz langsam wurde die To-Do-Liste immer kleiner, aber ihr kennt das ja: an einem Punkt muss man einfach aufhören und losfahren. Das Allerwichtigste wollten wir am letzten Tag noch erledigen: Alles, was noch irgendwie beweglich war, wurde umgeräumt, eingeklemmt oder festgezurrt. Das Wasser und der Diesel-Tank noch einmal bis zum Anschlag aufgefüllt. Der Kühlschrank war zum Bersten voll und Rachel schrieb einen Plan. Jeder, der was vom Kühlschrank brauchte, musste sich zuerst daran orientieren, wo er es finden würde. Dann Türe auf – rausholen – Türe zu. Auch der Gefrierschrank war so voll, dass sich zwischendrin das Scharnier der Türe löste. Verhungern würden wir auf jeden Fall mal nicht. Das unempfindliche Obst wurde in Netzen verstaut; eines hing über dem Tisch im Salon, das andere dekorativ unter dem Dinghi am Heck. Unsere Rettungswesten hatten alle einen AIS-Sender, der mit dem Plotter (also dem Navigations-Computer) im Cockpit verbunden war. Falls jemand also über Bord geht, können wir ihn genau lokalisieren. Aber natürlich wollte man das auf jeden Fall verhindern, weswegen es entlang jeder Seite des Schiffes sogenannte Lifelines gibt, an denen man sich mit seiner Sicherheitsweste anpickt.

Der Samstag, an dem wir loswollten, war gekommen. Das Wetter für die ersten 10 Tage versprach genau dreierlei Wind:  so gut wie gar keinen, zu viel, oder genau von vorne. Toll. Aber hilft nix. Augen zu und durch. Die ersten Tage mussten wir auf jeden Fall genau gegen den Wind und es waren garstige, kurze Wellen vorhergesagt. Der Tracker schickte uns schon wieder weit nördlich, oder südlich (Richtung Kanaren), dann links abbiegen auf die Azoren.

Mitten über dem Atlantik schwebte ein riesiges Hoch mit wenig bis gar keinem Wind. Das mussten wir unbedingt irgendwie umgehen, denn wir hatten nur Diesel für ungefähr 3 Tage. Da um die Azoren meistens ein stabiles Hoch wabert, mussten wir den Sprit also unbedingt bis zum Schluss aufsparen. Es würde auf jeden Fall spannend werden.

Man kann unsere Route auf folgendem Link verfolgen: https://forecast.predictwind.com/tracking/display/Princess _Arguella

Natürlich kann ich von unterwegs keine Blogs einstellen. Ich habe aber vor, fleißig zu schreiben und werde alles im Nachhinein einstellen. Auch die Bilder für die vorhergehenden Beiträge stelle ich noch ein. Das war hier aufgrund des schlechten Netzes nicht möglich.

Es ist immer irgendwie ein spezieller Moment, sich zu verabschieden. Mittlerweile sind wir schon ein bisschen geübt darin. Gottseidank unterstützen uns unsere Kinder immer und haben vollstes  Verständnis für ihre abenteuerlustigen Eltern. Vielen Dank dafür und allen zuhause für gutes Zureden, Daumen drücken, Hilfe mit Rat und Tat (vor allem auch an Sepp und Hilde, Klaus und Evelyn, die sich toll um unsere Eltern kümmern) und seelischen Beistand. Das hilft ungemein.

Bis bald.

Die letzten Tage in Sint Maarten

Die letzten Tage in Sint Maarten

Michi

Zurück an unserem alten Platz in der Marina packten wir gleich den inzwischen angekommenen Autopilot aus. Das war fast wie Weihnachten. Bevor Franz  ihn einbauen konnte, mussten wir jedoch noch Kleinteile besorgen und auch eine neue Starterbatterie sollte noch eingebaut werden. Die Batterie holten wir in einem Autoteile-Shop, zu dem wir ca. 15 Minuten in der Hitze laufen mussten. Franz trug die schwere Batterie dann zum Dinghi zurück. Als wir alles hatten, machten Franz und Simon sich an die Arbeit. Wir Mädels gingen zum zweiten Mal zu Carfour, um unter anderem 150 Eier (die wir vor dem Verstauen alle einzeln mit Öl eingerieben haben, damit sie länger halten), 15 kg Kartoffeln, 7 kg leckeren Käse (der einvakumiert wurde), 15 Tafeln Schokolade, 5 kg Äpfel und noch viele Leckereien mehr zu kaufen. Wieder einmal dachten wir uns, das passt nie alles ins Schiff, aber wieder einmal fanden wir nach einigem hin- und herräumen genug Platz. Jetzt fehlten nur noch die frischen Sachen und das eingefrorene Fleisch.

letzten Tage in Sint Maarten

Zurück an unserem alten Platz in der Marina packten wir gleich den inzwischen angekommenen Autopilot aus. Das war fast wie Weihnachten. Bevor Franz  ihn einbauen konnte, mussten wir jedoch noch Kleinteile besorgen und auch eine neue Starterbatterie sollte noch eingebaut werden. Die Batterie holten wir in einem Autoteile-Shop, zu dem wir ca. 15 Minuten in der Hitze laufen mussten. Franz trug die schwere Batterie dann zum Dinghi zurück. Als wir alles hatten, machten Franz und Simon sich an die Arbeit. Wir Mädels gingen zum zweiten Mal zu Carfour, um unter anderem 150 Eier (die wir vor dem Verstauen alle einzeln mit Öl eingerieben haben, damit sie länger halten), 15 kg Kartoffeln, 7 kg leckeren Käse (der einvakumiert wurde), 15 Tafeln Schokolade, 5 kg Äpfel und noch viele Leckereien mehr zu kaufen. Wieder einmal dachten wir uns, das passt nie alles ins Schiff, aber wieder einmal fanden wir nach einigem hin- und herräumen genug Platz. Jetzt fehlten nur noch die frischen Sachen und das eingefrorene Fleisch.

Grand Case und Isle Forchout

Grand Case und Isle Forchout

Michi
Wir ankerten auf der französischen Seite in Grand Case. Das war ein bisschen illegal, da wir ja in Frankreich waren. Theoretisch hätten wir im niederländischen Teil aus- und im französischen Teil einklarieren, also den Grenzübertritt dokumentieren sollen. Wir haben einfach unser AIS ausgeschaltet, damit uns die Behörden nicht identifizieren können. So richtig interessiert das hier eh keinen. Manchmal ist der „carrebean way of life“ auch sehr hilfreich.
Wir fuhren alle zusammen mit dem Dinghi an Land, was mit dem 15 PS-Motor richtig Spaß machte. Wehmütig dachten wir an unser 5 PS Dinghi-Motörchen. Netterweise hatten Simon und Rachel ihr „altes“ Dinghi an Bord von Aton in Cariacou gebracht und uns überlassen. Es hat einen festen Boden und ist somit auch für größere Motoren geeignet. Also ist der Anfang des Endes der stets tropfnass endenden Fahrten mit unserem Dinghi gemacht. Ein großes Dankeschön an Simon und Rachel.
In Grand Case gibt es einen geschäftigen kleinen Ort, teilweise mit sehr schönen Häusern im Kolonial-Stil. Leider stehen zwischendrin auch häufig vom Hurrikan Irma zerstörte Häuser. Auch der Kirche fehlt das Dach immer noch teilweise. Es tut einem in der Seele weh, sich vorzustellen, wie die Leute von einem Moment auf den anderen einfach alles verlieren. Wie glücklich können wir uns in Europa schätzen, nie von Erdbeben oder Hurrikans bedroht zu werden. Plus natürlich, dass die Menschen hier keine Versicherungen haben, oder großartige Entschädigungen erhalten. Das gilt vor allem auch für den wegen Corona brachliegenden Tourismus. Die Hotels und Restaurants stehen leer und so viele Menschen leben davon. Keine Kurzarbeit, Corona- oder Arbeitslosen-Hilfe. Das sollten mal diejenigen sehen, die sich pausenlos über alles in Deutschland beschweren.

Wir bummelten ein bisschen herum und kauften in einer entzückenden Bäckerei ein, wo eine sehr nette Verkäuferin uns allerlei Leckereien ans Herz legte. Außerdem probierten wir aufgrund Simon`s Empfehlung gegrillte Schweine-Rippchen. Alles war sehr lecker und wir genossen es extra, denn sowas Feines werden wir nun längere Zeit nicht bekommen. Obwohl man sagen muss, dass Reni uns auf der Princess ausgezeichnet bekocht. Sie achtet immer darauf, dass wir zum Frühstück Müsli mit frischen Früchten haben (Mangos und Ananas sind natürlich der Traum hier) und verwöhnt uns mit leckeren Gerichten zum Dinner. Manchmal kochen Franz oder ich und alle waren bisher immer sehr zufrieden mit dem Ergebnis. Franz hat auch schon ein Brot gebacken und ich habe die Joghurt-Produktion aufgenommen. Das erste Mal ging leider schief, aber vielleicht war Rachels Milchpulver einfach zu alt. Lustig war auch unsere Spätzle-Aktion, als wir noch im Appartement wohnten. Da wir keinen Hobel hatten, schabte ich den Teig und Reni und ich arbeiteten perfekt im Team zusammen. So hatten wir mit einmal kochen nun schon zweimal Kässpätzle, und immer noch ist ein Rest übrig, den wir eingefroren haben. Auch mein bewährter Bananen-Joghurt-Kuchen kam gut an und das mitgebrachte Geräucherte (eine Produktion von Franz` Vater) ist sowieso der Hit. Simon und Rachel mögen aber auch typisch englisches Essen wie süße Bohnen auf Toast (uaahhh), oder Marmaid, eine Art salzige Maggi-Paste (sehr gewöhnungsbedürftig für unsere Gaumen). Aber da halten wir uns eher zurück.

Am nächsten Tag probierten wir aus, mit drei Segeln zu segeln (dabei wird außer der großen Genua noch ein kleineres Vorsegel an einem sogenannten Babystag angeschlagen). Das war sehr unkompliziert. Außerdem hatten wir schon am Ankerplatz ohne Wind und Wellen das Handling für den Spinnakerbaum geübt. Dieser ist 6 m lang und man muss insgesamt 4 Leinen daran befestigen. Dazu waren mindestens 3 Personen nötig. Auf See war das dann schon nicht mehr so einfach, da man längere Zeit auf dem in den Wellen schaukelnden Vorschiff rumturnen muss, während man einen Handgriff nach dem anderen tut. Aber wir bekamen es nach mehrmaligem Nachjustieren letztendlich ganz gut hin. Reni als Segel-Anfängerin beobachtete alles, ließ sich die Manöver erklären und begann nach und nach die Zusammenhänge zu verstehen. Auch für Franz und speziell für mich ging es darum, Routine in die einzelnen Arbeitsschritte zu bekommen. Dabei war es auch eine große Herausforderung, die englischen Segel-Begriffe zu verstehen. Es kam öfters vor, dass Simon irgendein Kommando gab und wir keine Ahnung hatten, was er meint. Meistens musste dann alles schnell gehen und wir konnten erst im Nachhinein fragen, was er damit gemeint hatte. Aber so nach und nach wird es schon besser werden. Ein großer Pluspunkt war, dass offensichtlich keiner von uns schnell seekrank wurde. Franz sowieso nicht, ich bisher noch nie wirklich und auch Reni hielt sich super. Auch auf See machte es ihr gar nichts aus, unter Deck zu gehen und z.B. einen Kaffee oder Tee für uns zu kochen. Super.

Wir übernachteten an einer Boje auf der Isle de Forchout, die zu St. Barth gehört. Am Morgen gingen Reni und ich schnorcheln und sie sah zum ersten Mal einen (kleinen Riff-) Hai. Rachel hatte auch eine Schildkröte gesehen und direkt um unser Schiff herum schwammen viele bunte Riff-Fische. Wie schön. Am nächsten Abend, nach einem schönen Segeltag, wollten wir wieder in der Grand Case ankern. Kaum war der Anker unten, checkte Simon seine Mails und bekam die Nachricht, dass der Autopilot schon in Sint Maarten war. Wow, dann würden wir ihn vielleicht morgen schon in die Marina geliefert bekommen! Also beschlossen wir, den Anker nochmal aufzuholen und in der Simpson Bay zu übernachten. Von dort gelangte man durch eine Drehbrücke in den abgeschlossenen Teil der Bucht, wo unsere Marina war. Die Brücke machte zu festen Zeiten auf und wir wollten den 9.30 Uhr Termin nehmen, um den ganzen nächsten Tag in der Marina für unsere Vorbereitungen zu nutzen.