Autor: Aton-Crew

28.03.2019 Unsere erste Nachtfahrt unter Segel

28.03.2019 Unsere erste Nachtfahrt unter Segel

Franz
Ohne Frühstück lichteten wir den Anker und fuhren durch die enge Riffdurchfahrt. Der offene Atlantik empfing uns mit riesigen, brechenden Wellen exakt an der Engstelle der Fahrrinne. Links und rechts von uns konnten wir das Riff sehen, an dem die mächtigen, vom Wind aufgepeitschten Wogen mit lautem Getöse brachen. Hunderte von Tonnen Salzwasser, die mit jeder Welle auf die Korallenbänke krachten. Würden wir die Kontrolle über unser Schiff jetzt verlieren, wären wir und Aton verloren. Ich versuchte das Schiff so auszurichten, dass wir die Wellen direkt gegenan hatten. Wenn mir auch nur der kleinste Fehler beim Steuern des Schiffes unterlief und das Schiff querschlagen würde, wäre es aus. Die erste Woge die uns traf, hob Atons Bug mehrere Meter an. Mit Vollgas versuchte ich diese Wellenberge zu erklimmen. Ein kurzer Blick auf meine Geschwindigkeitsanzeige sagte mir, dass ich gerade einmal mit 2 Knoten Fahrt durch die Brandung schlich. Brecher für Brecher kämpften wir uns langsam aus dem Brandungsbereich heraus. Ein Blick auf meinen Plotter verriet mir, dass wir die Riffdurchfahrt gemeistert hatten. Mit zunehmender Wassertiefe wurden die Wellen länger und flacher. Als wir genügend Abstand zum Ufer hatten, setzten wir die Segel und fuhren hart am Wind in Richtung des nahen Nord/Ost-Kaps. Langsam ließ die Anspannung nach. Als wir dann das Kapp umrundet hatten, setzten wir einen neuen Kurs auf Rum Cay, das 37 Seemeilen entfernt lag. Dies war etwa die Hälfte des Weges bis zu unserem eigentlichen Ziel, Samana Cay. Mit halbem Wind rauschten wir dahin. Ich programmierte den Autopiloten und dann machte ich uns ein Frühstück. Mit der Tasse heißem Kaffee in der Hand saßen wir nun im Cockpit und sahen Long Island am Horizont langsam verschwinden. Die Ereignisse der vergangenen Nacht zeigten nun ihre Wirkung. Immer wieder fielen wir in einen Dämmerschlaf, mal der Eine, mal der Andere. Als wir nachmittags Rum Cay erreichten, ließen wir den Anker fallen und holten etwas Schlaf nach. Da wir nun den Wind hatten, den wir für unseren großen Schlag nach Samana Cay brauchten, entschlossen wir uns, drei Stunden später, weiterzusegeln.

Nachdem wir uns etwas gestärkt hatten, lichteten wir um 18:25 den Anker und verließen die Insel Richtung Ost/Süd-Ost. Auf uns wartete der erste Nachtschlag mit einer Distanz von über 70 sm. Da uns unser Wetterdienst in letzter Zeit oft im Stich gelassen hatte, konnten wir nun unsere bevorstehende Wettersituation schlecht einschätzen. Wie lange würden wir für diese Überfahrt brauchen? Würde der Wind einschlafen oder stärker als vorhergesagt wehen? Würde die Windrichtung so bleiben? Fragen über Fragen. Jetzt hieß es: Augen zu und durch! Das Wetter-App hatte 8 – 10 Knoten Wind aus Nord vorhergesagt, was für uns einen Raumschotkurs mit viel Motorfahrt bedeutet hätte. Ohne die Windgeschwindigkeit beweisen zu können (wir haben ja leider unser Windmessgerät bei der ersten Sturmfahrt verloren), blies nun der Wind aus Nord/Nord-Ost und wir fuhren mit Fock- und Großsegel mit durchschnittlich 7 Knoten Fahrt einen Halbwindkurs. Wir machten unser „Running Light“ (Positionslampen) an und segelten in ein wahnsinniges Abendrot. Wir regelten unseren Wachablauf (wer, wie lang, was ist zu tun) und da ich freiwillig die Hundewache (von Mitternacht bis 04:00) übernahm, legte ich mich zeitig schlafen. Kurz vor Mitternacht wachte ich auf und besprach mit Michi die Vorkommnisse. Mein Schatz sagte mir, sie würde gerne noch eine Stunde weiter machen. Somit legte ich mich nochmals schlafen. Um 01:00 tauschten wir uns kurz aus und ich begann mit meiner Schicht. Das hieß: alle 20 Minuten der Rundumblick, Windrichtung und Segelstellung kontrollieren, der Blick auf den Plotter (Kurs, AIS-Schiffe), dann an den Kartentisch und die Daten (Uhrzeit, Kurs, Standort, Geschwindigkeit) ins Logbuch eintragen und der Blick aufs Barometer, um eine bevorstehende Wetteränderung rechtzeitig zu bemerken. Sowie dies getan war konnte ich meine Gedanken baumeln lassen. Eine Fahrt durch die Nacht ist in vielerlei Hinsicht anders, als bei Tageslicht. Durch die Finsternis werden die Sinne geschärft. Man fühlt die Bewegung des Schiffes. Während ich auf meinem Lieblingsplatz, gegen die Fahrtrichtung nach hinten blickend, auf unserer Cockpitsitzbank Platz genommen hatte, sah ich den weißen Schaum des Wassers an mir vorbeirauschen. Mit knapp 8 Knoten Fahrt durch die stockfinstere Nacht ist das Erleben der Geschwindigkeit deutlich intensiver als bei Tag. Die schwankende Bewegung Atons durch die Wellen bei leichter Kränkung (die Neigung des Schiffs in der Längsachse zu einer Seite) durch den Winddruck ließen mich ehrfürchtig werden. Das fehlende Mondlicht (bisher hatten wir Nacht für Nacht das intensive Mondlicht bewundert) und der bewölkte Himmel schränkten meine Sicht stark ein. Immer wieder suchte ich den Horizont nach Lichterscheinungen ab, konnte aber nichts als schwarze Nacht erkennen. Wir hatten den Plotter und das AIS auf 22 sm eingestellt, um frühzeitig Fahrzeuge erkennen zu können. Nach anfänglicher Unsicherheit, in der ich in kurzen Abständen die Umgebung absuchte, stellte sich mehr und mehr eine innere Ruhe ein. Langsam wich die innere Erregung einer Routine. So verging Stunde um Stunde. Zwischenzeitlich setzte ich mich an den Kartentisch und las in meinem E-Book. Als ich um 03:40 wieder meine Runde machen wollte und nach oben ging, bekam ich einen riesen Schreck. Genau vor uns in der Fahrlinie befand sich etwas, das scheinbar mit einem Scheinwerfer ins Wasser leuchtete. Mein erster Gedanke war, dass es sich um ein fischendes Boot handeln musste. Die Entfernung konnte ich nicht einschätzen, aber nach der Größe des Scheinwerfers zu urteilen, musste das Fahrzeug sehr nahe sein. Ich stürzte zum Plotter um die genaue Position und Entfernung zu ermitteln. Aber auf dem Bildschirm war kein Schiff zu erkennen. Um das Radar zu starten, benötigte ich mindestens zwei Minuten für die Aufwärmzeit. Somit entschloss ich mich kurzerhand den Autopiloten auszuschalten und das Ruder herumzureißen. Nachdem ich mit neuem Kurs keine Kollisionsgefahr mehr hatte, peilte ich die Leuchterscheinung an und beobachtete sie weiter. Trotz hohem Eigentempos schien sich der Abstand nicht zu verkürzen. Entweder bewegte sich das Objekt in die gleiche Richtung wie wir, oder das Objekt war sehr groß. Plötzlich kam eine Veränderung zustande. Der Scheinwerfer schien seinen Leuchtstrahl zu verlängern, ohne seinen Winkel zu verändern. Und mit einem Mal war mir klar, um was es sich handelte. Eine vorgelagerte Wolke machte den aufgehenden Mond frei, der nun mit einem silbernen Strahl unsere Fahrlinie beleuchtete. Ich musste laut auflachen. Mit wenigen Handgriffen stellte ich wieder unseren alten Kurs her. Der Rest der Nacht verlief ohne weitere Vorkommnisse. Als dann der Morgen graute, konnte ich am Horizont Samana Cay ausmachen. Wenig später war auch Michi erwacht. Ich erzählte ihr mein Monderlebnis. Wir lachten herzlich und ich versprach ihr, dies in unserem Reisebericht zu erwähnen. Nach 107 sm ließen wir um 07:15 auf Samana Cay den Anker fallen.

26.03.2019 Eine unruhige Nacht

26.03.2019 Eine unruhige Nacht

Franz:

Nachdem wir die Binnenuhus verabschiedet, das eine oder andere Gespräch mit Seglerfreunden geführt, sowie uns ausreichend verproviantiert hatten konnte es losgehen.

Als erstes wollten wir unser kleineres Fock-Segel (ein Vorsegel, das in unserem Fall am Babystag gefahren wird) ausprobieren. Zu diesem Zweck nutzten wir die kurze Fahrt von Georgetown zur Moss Cay, einer sehr geschützten Bucht, nahe unseres Atlantik-Korridors. Beim Setzen des Segels zeigten sich bereits die ersten Probleme, da wir keine passende Vorschot (Haupttrimm- und Zugleine) hatten. Eine ½ Zoll starker Tampen (ein anderes Wort für eine stärkere Leine) erwieß sich als deutlich zu schwach. Wir ankerten ein letztes Mal auf Great Exuma Island. Nachdem wir die Wetterdaten geprüft hatten, entschieden wir uns, am folgenden Morgen Richtung Nordspitze von Long Island auszulaufen. Das Problem mit der Vorschot lösten wir, in dem wir die Vorschot der Sturmfock an das Fock-Segel banden.

Am Morgen des 26.03. starteten wir um 07:40 die Hauptmaschine, holten den Anker auf und motorten in Ermangelung des angekündigten Windes 27 sm nach Long Island in die Calabash Bay. Diese Bucht begrüßte uns bereits von weitem mit einem unglaublichen Farbenspiel aller erdenklichen Blau- und Grüntöne der Farbskala. Solch ein Anblick ließ in uns Wehmut aufkommen, da wir nun im Begriff waren, die Bahamas zu verlassen. Nachdem wir nahe einer Ferienanlage den Anker fallen gelassen hatten, nahmen wir zu allererst ein Bad im größten Swimmingpool der Welt. Da diese Bucht uns sehr gefiel und die Wetterfrösche den benötigten Wind erst für Übermorgen angekündigt hatten, beschlossen wir, den folgenden Tag ebenfalls hier zu verbringen. Eine Mangrovenflussmündung in der Nähe versprach uns eine aufregende Exkursion. Im Laufe des Nachmittages gesellten sich noch weitere Jachten zu uns. Die folgende Nacht lagen wir ruhig vor Anker und genossen unsere Zweisamkeit. Am nächsten Morgen fuhren wir dann mit unserem Dinghi in den besagten Fluss. Ich hatte unseren Motor betankt, Fotoausrüstung und Drohne in unseren Seesack gepackt und vorsorglich unseren Müll mitgenommen. Diesen wollten wir in einer, auf unserer Seekarte verzeichneten, Ansiedlung entsorgen. Nachdem wir die erste Strömung und einige Untiefen an der Mündung passiert hatten und flussaufwärts fuhren, öffnete sich vor uns eine malerische Landschaft. In einem Becken hatte der Fluss einen kleinen See gebildet, welcher bei Ebbe trocken viel. Das nördliche Ende dieses Sees wurde von steil abfallenden Felswänden eingerahmt, während das südliche Ufer durch Mangrovenwälder begrenzt wurde. Beim durchfahren des Gewässers achteten wir laufend auf die Wassertiefe, damit wir nicht mit dem Motor auf Grund liefen. Aus diesem Grund mussten wir den kompletten See am äußeren Ende umfahren. Einige, am Grund befestigte, Bojen zeigten uns die Fahrwasserrinne an. Nachdem wir so den See umrundet hatten, folgten wir dem Fluss weiter in Richtung der angezeigten Ansiedlung. Unser Motor kämpfte gegen die Strömung an. Quälend langsam schlängelten wir immer tiefer in die Insel flussaufwärts. Langsam machte ich mir über die Reichweite unseres kleinen Benzintanks Sorgen. Der anfangs vorhandene Wind an der Küste war nun nicht mehr spürbar, wodurch die tropische Hitze im Inselinneren uns jetzt zu schaffen machte. Schlagartig wurde uns bewusst, dass wir unsere Trinkflaschen auf der Aton vergessen hatten. Wir waren kurz davor umzudrehen, als eine Brücke unser angestrebtes Ziel ankündigte. Wir machten unser Dinghi daran fest und kletterten zur Straße empor. Aber von Häusern oder gar Geschäften war weit und breit nichts zu sehen. Wir gingen die Straße ein kurzes Stück entlang, als wir einem Radfahrer begegneten. Ich sprach ihn an, wo es hier Einkaufsmöglichkeiten gibt. Wie sich dann herausstellte, gab es nur eine kleine Bar am Fluss, an der wir vorbeigefahren sind, ohne diese zu bemerken. Ansonsten gab es nur die Clubanlage an der Küste, vor der wir unser Schiff ankerten. Bei dem befragten Herrn handelte es sich um einen amerikanischen Touristen. Er wohnte in besagtem Club und hatte sich ein Fahrrad geliehen, um ein Kolumbus-Denkmal auf einem nahen Hügel zu besichtigen. Er riet uns aber ab, dieses zu Fuß zu erreichen, da die Entfernung zu weit und die Straße dorthin zu schlecht wäre. Also entschlossen wir uns zur Rückkehr. Während der langen Rückfahrt hofften wir, dass unser Kraftstoffvorrat noch reichen würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir glücklich unser Schiff. Nach unserem Mittagessen installierte ich mit Hilfe meines Neffen Michael (ohne ihn gäbe es diesen Blog nicht – an dieser Stelle vielen Dank Michi für Deinen Support) den Routentracker auf meinem Handy. Somit kann die Lesergemeinschaft ständig mitverfolgen, wo Aton sich gerade befindet.

Am Nachmittag frischte der Wind auf und drehte auf nordwestliche Richtung, obwohl unsere Wetter App eine gänzlich andere Vorhersage lieferte. Wir überlegten, ob wir für eine Nachtfahrt bis Samana Cay auslaufen sollten, entschieden uns aber wegen eines aufkommenden Gewitters dagegen. Da unsere Ankerbucht für den nun anstehenden Wind gänzlich offen lag, versprach die kommende Nacht unruhig zu werden. Ich verstärkte mit einer zweiten Leine die Zugentlastung an der Ankerkette. Nach dem Abendessen gingen wir früh zu Bett. Das aufkommende Gewitter zog zwar an uns vorbei, der Wind allerdings blies nun mit voller Wucht in die Calabash Bay. Die Wellen schaukelten unser Schiff auf. Das ständige Rollen über die Längsachse warf uns in unserem Bett von einer in die andere Ecke. Beim ständigen Auf und Ab riss das Schiff mit seinen 24 Tonnen an unserer Ankerkette. Dabei gaben die Seile der Zugentlastung ächzende Geräusche ab. Krachendes Wasser an der Bordwand, klirrende Fallen und zum Erbarmen ächzende Zugentlastungen gaben ein Stakkato an Geräuschen ab, die keinen Schlaf zuließen. Immer wieder öffneten wir die Dachluke, um nach besonders hässlichen Geräuschen nach dem Rechten zu sehen. Irgendwann fielen wir dann in einen Erschöpfungsschlaf. Plötzlich schreckten wir beide durch einen Knall hoch. Ich griff mir eine bereitgelegte Taschenlampe und rannte durch den Salon, den Niedergang hoch, aufs Vorschiff. Meine Befürchtung hatte sich bewahrheitet. Eine der beiden Leinen unserer Ankersicherung hatte der rohen Gewalt des zerrenden Schiffs nicht mehr Stand gehalten und war gerissen. Die zweite Leine war zum Zerreißen gespannt. Ich kürzte die Leine und versuchte aus den Resten eine neue Zugentlastung einzuknüpfen. Allerdings war mir vollkommen bewusst, dass diese Kräfte eindeutig zu groß für diese Bänsel waren. Als wir uns nach der Rettungsaktion wieder ins Bett begaben, war trotz unserer Erschöpfung an Schlaf nicht mehr zu denken. Ständig kreisten unsere Gedanken, ob die Sicherungsleinen hielten. Wenn sie abermals reißen, würden die ruckartigen Bewegungen des Schiffes unsere Ankerkette, Glied für Glied aus dem Kettenkasten zerren, bis die Kette verloren ginge. Jedes Ächzen, Rucken und Kreischen ließ uns hochfahren. Immer wieder öffneten wir die Kabinenluke, um nach dem Rechten zu sehen. Die Zeit kroch dahin und als der Morgen graute, machten wir uns und das Schiff fertig zum Auslaufen.

27.03.2019 Blauwassergespräche

27.03.2019 Blauwassergespräche

Franz:

Heute möchte ich mal wieder meinen Beitrag leisten und einen Bericht posten.

Nachdem wir die Binnenuhus sicher in Georgetown am Dinghi-Steg abgeliefert hatten und uns wieder unserer Zweisamkeit zuwendeten, lernten wir in unserer allmorgendlichen Funkrunde Micha von der Samsara kennen.

Hier muss ich zum Leidwesen all meiner bayerischen Landsleute einmal einwenden, dass man als Blauwassersegler deutlich schneller Anschluss bekommen kann, als wenn man im Zug, Seite an Seite mit gefühlten hundert Passagieren, Richtung München fährt. Unsere Landsleute sind halt eher etwas zurückhaltend, was die Kontaktaufnahme betrifft!

Aber zurück zum Thema: Nachdem wir uns per Funk bekannt gemacht hatten, trafen wir uns bei einer Dose Bier, um unsere Geschichten auszutauschen. Und was man dabei erfährt, ist manchmal haarsträubend. Deshalb hier auszugsweise die Geschichte von Micha von der Samsara:

Micha´s Eltern hatten bereits eine Segelyacht. Somit wuchsen er und seine Geschwister quasi damit auf. Für Micha war sehr früh klar, dass er sich ebenfalls ein eigenes Boot kaufen würde. Allerdings wollte er, im Gegensatz zu seinen Eltern, einen Katamaran (Vor-und Nachteile der einzelnen Bootsformen werden definitiv innerhalb dieses Bloges zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich diskutiert) kaufen. Er entschloss sich, über diverse Webseiten nach beschädigten Booten Ausschau zu halten. Nachdem er in Antigua fündig geworden war, erwarb er sehr günstig einen sturmbeschädigten Katamaran der Marke Leopard 40, Baujahr 2017 (also quasi brandneu). Die Schäden am Rumpf ( Strukturbrüche mit klaffenden Löchern inclusive Seewassereinbrüchen) reparierte er in monatelanger Arbeit. Beide Motoren zerlegte er, nachdem sie wochenlang dem Seewasser ausgesetzt waren, alleine. Wenn man, wie ich, versteht, wie die Versorgung sowie der Erwerb von Ersatzteilen auf entlegenen Inseln vonstatten geht, kann man ermessen, welche logistische, als auch finanzielle Herausforderung dies für Micha wohl gewesen ist. Schlussendlich musste er dennoch nach Deutschland reisen, um das eine oder andere Ersatzteil zu organisieren. Er ließ sein Schiff also in der bewachten Marina zurück. Als er Wochen später und vermutlich tausende Euro leichter, vollgepackt mit Ersatzteilen wieder in Antigua in der Marina ankam, stellte er fest, dass sein Schiff Opfer einer Diebesbande geworden war:

-Zigtausend Euro teuerer Generator (über hundert Kilo schwer und eingebaut), weg

-Mast inclusive Stagen und Wanten (man benötigt einen Kran, um dies zu demontieren), weg

-Navigationsgeräte (alle eingebaut, versenkt und verbaut), weg

-Einbauleuchten (die einfach geklipsten waren nicht mehr da, die verschraubten waren anscheinend den Aufwand nicht wert), weg.

Ich kann mich sehr gut in Micha hinenindenken, wenn man beim Kauf eines Lebenstraums seine Finanzen abcheckt, alles durchrechnet, alles auf eine Karte setzt, eine Menge Arbeit investiert, jeden Groschen zweimal umdreht und jede Anschaffung überdenkt und dann das!

Das nächste, was er natürlich machte: er ging zum Besitzer der Marina und meldete den Einbruch! Doch dann kam der eigentlich dicke Hammer. Der Chef der Marina tat dies mit einem Schulterzucken ab, nach dem Motto: hättest mal nicht dein Boot verlassen. Auf den Hinweis, manche Bauteile könne man ohne schweres Gerät garnicht ausbauen, ging er garnicht ein. Und, last but not least, ließ er anklingen, man könne ja seine gestohlenen Teile für umgerechnet 30.000 € zurückkaufen (was defacto einem Diebstahleingeständnis gleichkommt). Leider, so sagte mir Micha, war der Bruder des Marinabesitzers der örtliche Polizeichef! Spätestens hier muss ich einfügen, dass Antigua von den letzten Hurikans sehr stark heimgesucht wurde, was bedeutet, dass alles darnieder liegt und anscheinend ähnlich chaotische Zustände herrschen, wie in Venezuela.

Micha´s Wut kann ich nur ansatzweise nachvollziehen. Vollkommen pleite und bar jeder Hilfe von außen, alleine und umgeben von Korruption und Kriminalität. Nachdem er seine Optionen realistisch geprüft hatte, kam er zu dem Schluss: reisefertig machen, rauf auf´s Wasser und nichts wie weg! Nach einer abenteuerlichen Überfahrt, von der man ganz locker ein Buch schreiben könnte, trafen wir uns dann im trauten Kreis einiger Yachties in Georgetown.

Am Beispiel dieser Geschichte kann man als Außenstehender, so glaube ich, sehr plastisch nacherleben, welche Dramen sich tagtäglich vor unseren Augen abspielen. Ich finde  es extrem wichtig, dass  dieses Ereigniss erzählt wird.

Wir, jedenfalls von der Aton, wünschen Micha alles erdenklich Gute für seinen Trip und immer eine handbreit Wasser unterm Kiel.

26.03.2019 Auf zu neuen Abenteuern

26.03.2019 Auf zu neuen Abenteuern

Michi:
Wir sind jetzt seit gut 2 Monaten in den Bahamas unterwegs, und haben die Exuma-Kette insgesamt dreimal (alleine, mit Lothar und mit den Binnenuhus) befahren. Wir haben wunderschöne Inseln, traumhafte Ankerplätze und viele Fische gesehen, und freundliche Menschen kennengelernt. Das glasklare, in allen Blau- und Türkisfarben leuchtende Wasser, die vielen Sonnenauf- und untergänge, und auch dramatische Mondaufgänge und sternenklare Nächte haben uns jeden Tag aufs Neue begeistert. Die letzten, südlichen Inseln der Bahamas, nämlich Long Island, Rum Cay, Samana Cay und Mayaguana, warten auf uns. Nachdem wir viele Tagestörns, und auch so manchen Frühmorgen-Ableger, oder Spätabend-Anleger im Dunkeln geschafft haben, werden wir in naher Zukunft wohl auch unseren ersten Nacht-Schlag meistern dürfen. Die Entfernungen werden länger, und vor allem müssen die Wetterfenster genutzt werden. Da wir vorhaben, Richtung Süd-Osten nach den Turks und Caicos Inseln in Richtung Puerto Rico, und dann bis zur karibischen Inselkette zu segeln, haben wir in den nächsten Wochen, bedingt durch den Nord-Ost-Passat, sehr viel mit Gegenwind zu rechnen. Ein Segelboot kann maximal einen Kurs von 30 bis 330 Grad segeln. Das ist aber nicht schön, vor allem, weil man dann auch gegen die Wellen stampfen muss. Und das ist auf dem offenen Atlantik kein Spaß. Wir müssen also jeden Wind, der nicht gerade von östlichen Richtungen kommt, ausnutzen.
Wenn man seine Grenzen erweitern will, sollte man das in kleinen Schritten tun. Und so haben wir vor, unsere Etappen zu steigern, andere Segel auszuprobieren, und Nachtwache zu gehen. Im Gegensatz zu den alltäglichen Problemen unseres früheren Lebens sorgen wir uns jetzt, ob der Wind aus der richtigen Richtung und in der richtigen Stärke weht, ob die Wellen nicht zu wild und von der richtigen Seite kommen, hoffen, dass nichts Wichtiges kaputt geht, und wir unser Ziel wohlbehalten erreichen. Aber wir empfinden dieses Leben auf jeden Fall auch viel tiefer, spannender, bereichernder, naturnäher und bewusster. Wir verbringen so viele schöne Momente zusammen, meistern so viele Herausforderungen als Team, motivieren und ermutigen uns gegenseitig, teilen die schönen und auch die strapaziösen und nervigen Seiten des Blauwasserfahrens, und genießen es einfach, ganz im Hier und Jetzt zu leben. Um nichts auf der Welt würden wir diese intensiven Erfahrungen missen wollen. Egal, wie lange unser Abenteuer dauert, das kann uns keiner mehr nehmen, und wir werden immer an diese glückliche Zeit zurückdenken.

22.03.2019 Schrecksekunde in der Bank

22.03.2019 Schrecksekunde in der Bank

Michi
Unglaublich, wie schnell die zwei Wochen Urlaub der Binnenuhus vergangen sind. Wir hatten eine sehr schöne Zeit mit  vielen tollen Erlebnissen. Am letzten Tag waren Agnes, Peter und ich in Georgetown in der einzigen Bank, da Agnes dort Geld wechseln musste. Es stand eine lange Schlange an den beiden besetzten Schaltern an, von denen einer durch eine länger dauernde Privatunterhaltung mit einem Kunden blockiert war. Es wurde getratscht, gelacht, und etwas auf dem Handy angesehen. Ohne Skrupel und nicht wirklich diskret ließ man den Rest der Kunden warten. Als wir endlich dran waren, und Agnes das gerade getauschte Geld nachzählen wollte, schaute sie sich nach einem geeigneten Platz hierfür in der Bank um. Direkt an der großen Fensterfront war ein Tisch mit Stühlen, aber da saß schon eine junge Frau. Also gingen wir an das Ende des Schalters und Agnes zählte nach. Ich schaute gerade aus dem Fenster, als plötzlich mit einem gewaltigen Knall ein Auto durch die Fensterfront fuhr, und dort hängen blieb. Dabei explodierte der Gasdruck-Dämpfer des Türöffners mit einem gewaltigen Knall und eine dreiteilige Zwischenwand aus Glas sprang in den Raum. Die junge Frau an dem Tisch sprang gottseidank rechtzeitig auf und konnte sich in Sicherheit bringen. Peter dachte wegen des Knalls sofort an einen Sprengstoff-Anschlag. Nachdem wir realisiert hatten, was eigentlich los ist, und wir uns von dem Schrecken einigermaßen erholt hatten, hatten wir alle drei weiche Knie. Es stellte sich heraus, dass der Fahrer eines vor der Bank geparkten Wagens das Brems- mit dem Gaspedal verwechselt hatte. Somit machte das Auto einen Satz nach vorne, wo eine kleine Beton-Begrenzung wie eine Rampe wirkte, und den Wagen in die Fensterfront springen ließ. Die beiden Insassen des Autos blieben einfach sitzen, und warteten auf den Abschleppwagen. Gottseidank wurde niemand verletzt.


Währenddessen wollte Franz unseren Computer abholen, den wir zwei Wochen vorher zur Reparatur abgegeben hatten. Von unterwegs aus versuchten wir einige Male zu erfahren, ob ein Fehler für das extrem langsame Agieren des PC`s gefunden wurde. Immer wieder versprach man uns einen Rückruf, der aber leider nie kam. Vor Ort stellte sich dann heraus, dass mit der Fehlersuche noch gar nicht angefangen wurde, weil man ja „so viel Arbeit hat“. Franz machte deutlich, dass wir in einigen Tagen weiter müssen, und deswegen dringend Handlungsbedarf besteht. Man versprach wieder, sich noch am gleichen Abend darum zu kümmern, und siehe da, tatsächlich rufte uns der Techniker an, und wir konnten den PC am nächsten Tag wieder abholen. Geht doch.

Leider hatten wir mit dem einzigen Segelmacher in Georgetown kein Glück, da der gerade nicht da ist, und erst wieder in 1 – 2 Wochen kommt. Also müssen wir die Segel profisorisch so bearbeiten, dass nichts weiterreißen kann, und hoffen, dass es bis zu einer professionellen Reparatur hält. Wir füllten unsere frischen Lebensmittel auf, und staunten auch dieses Mal wieder über die gesalzenen Preise (eine kleine Dose Trockenmilch kostet z. B. $ 10,00). Jetzt müssen wir nur noch auf ein geeignetes Wetterfenster warten (das sich für Anfang nächster Woche andeutet), und werden dann die letzten Schläge in den Bahamas angreifen.

21.03.2019 Franz baumelt am Mast

21.03.2019 Franz baumelt am Mast

Michi

In Little Farmer`s Cay entschlossen wir uns, für eine Nacht am dortigen Jacht-Club anzulegen, da Franz die Batterien mit Land-Strom vollladen, und kontrollieren wollte. Unser Strom-Anzeiger geht nämlich immer weiter nach unten, und wir wissen nicht wirklich, warum. Dieser Jacht-Club (der definitiv auch schon bessere Zeiten gesehen hat) besteht eigentlich nur aus einem Steg, einem Restaurant, und einem älteren Paar , die ihn betreiben. Er heißt Roosevelt – Nixon (das ist kein Witz), und sie kocht. Auf dem Weg dorthin bestellten wir noch telefonisch Lobster bei einem hiesigen Fischer, den wir letztes Mal dort kennengelernt hatten (Lob sei meinem Leute-Anquatscher). Wir legten an, und fuhren auch gleich mit unserem Dinghi in den Ort, wo wir im Hafenbecken Schildkröten und verschiedene Fische bewunderten, die von einem Einheimischen angefüttert wurden. Wir holten unsere vier Lobster-Schwänze ab und fuhren wieder zurück. Abends genehmigten wir uns das erste Mal ein Restaurant-Essen im Jacht-Club. Wir waren das einzige Schiff, und somit auch die einzigen Gäste dort. Es gab Grouper, der frittiert zubereitet wurde, und sehr lecker schmeckte. Franz entdeckte, dass lediglich unser Strom-Anzeige-Gerät falsche Informationen liefert, und wir somit viele Stunden unseren Generator umsonst laufen gelassen hatten. Am nächsten Tag waren wir erst mal schockiert über den Preis, den wir zu zahlen hatten: 272,– $ für eine Nacht am Steg, und ein Essen für vier (nicht zu vergessen viermal duschen, was auch eigens mit $ 20,00 berechnet wurde, sowie Landstrom für $ 50,00 pauschal). Wir wissen schon, warum wir so gut wie nie in eine Marina gehen. Schade, dass die Exumaner (oder wie die heißen) nicht erkennen, dass sie viel mehr Geschäft machen würden, wenn sie ein bisschen Service bieten würden (z. B. den Anleger umsonst, und dafür geht man hier abends essen). Da könnten die sich im Mittelmeer mal ein Beispiel nehmen, denn das ist dort gang und gäbe.

In Musha Cay ankerten wir direkt vor der Privat-Insel des Zauberers David Copperfield und bewunderten den mit Cocos-Palmen angelegten Sandstrand, die diversen wunderschönen Strand-Häuser, und (wieder einmal) das glasklare Wasser ringsum. Wir waren schon alle vier ganz gespannt, wie uns der Lobster gelingen wird; schließlich war es das erste Mal, dass wir selbst einen zubereiteten. Wir recherchierten im Netz, und diskutierten, wie wir die Sache angehen können.

Wir kochten dann die vier Schwänze im Salzwasser ca. 8 Minuten, halbierten sie dann der Länge nach, und bepinselten das Fleisch mit etwas Knoblauch-Butter. Dann ab in den Ofen damit und überbacken. Als es ziemlich angebrannt roch, sahen wir dass die Kruste eines Schwanzes oben bereits schwarz war (unser Backofen ist nicht sehr hoch, und die Oberhitze kann man nicht regulieren). Also doch Unterhitze. Nach ca. 10 Minuten holten wir sie raus, und fingen an, das köstliche Fleisch zu essen. In der Mitte waren die Schwänze aber noch glasig, und so kamen sie nochmal für einige Minuten in den Ofen. Nun schlugen wir uns die Bäuche voll, denn pro Schwanz war richtig viel Fleisch drin. Nachdem wir um 21.3o Uhr schließlich fertig gegessen und gespült hatten, brauchten wir alle einen Bahamas-Rum, der uns tief und fest schlafen ließ.

Nächste Station: Leaf Cay im Süden der Exumas. Genau wie die gleichnamige Insel im Norden der Exumas gibt es hier Iguanas (also Echsen) am Strand. Ständig kamen Motorboote mit Touristen, um diese zu bestaunen. Erst am Abend, nach einem schönen Sonnenuntergang, hatten wir diese schöne Bucht für uns alleine. Wir genossen (wieder einmal) einen wunderschönen Sundowner, sowie aufgrund des Mondlichts eine taghelle Nacht.

Da es am nächsten Morgen windstill war, wollte Franz in den Mast steigen, um zu überprüfen, warum sich unsere Genua auf einmal so schwer einziehen lässt. Erst probierte er den neu erstandenen „Mastclimber“ aus, mit dem er mittels eigener Muskelkraft hinaufsteigen kann. Wir sicherten ihn am sogenannten Bootsmannstuhl (ein Sitz, mit dem man in den Mast gezogen werden kann). Es ging sehr langsam voran, da er die Schlaufen, in denen seine Füße steckten, immer wieder nachziehen und festmachen musste. Auf halber Höhe ächzte der Bootsmannstuhl, und wir beschlossen, dass er wieder runterkommen soll. Beim zweiten Versuch zog er sich eine Rettungsweste an, und wir befestigten das Sicherungsseil an der Weste, und nicht am Bootsmannstuhl (denn wenn dieser aufgeht, nutzt das auch nichts). Dieses Mal ohne „Mastclimber“, das hieß, das Seil um die Winsch am Mast legen, und per Muskelkraft hochziehen. Da wir das im Notfall zu zweit machen müssen (also Franz geht hoch zum Reparieren, und ich bin unten), bediente ich die Winsch. Peter sagte schon „das geht aber schwer“, dann begann ich zu winschen. Ich musste mich ziemlich plagen und weiß jetzt auch, für was ich allmorgendlich unter anderem meine 30 Liegestützen und 7 Klimmzüge mache. Gottseidank habe ich dank jahrzehntelangem Training und vielen Jahren Leistungssport genügend Kraft aufgebaut, die es nun nur noch zu erhalten gilt. Also gab ich alles, und nach mehreren Verschnaufpausen war Franz an der Mastspitze angelangt. Nur gut, dass er so abgenommen hat! Er sah, dass er ein Schmiermittel aufbringen musste, und ließ das Wäscheseil runter, damit wir dieses befestigen, und er es wieder hochziehen konnte. Aber da hatten wir dann doch unseren Mast mit seinen fast 18 Metern unterschätzt, und das Wäscheseil baumelte gerade in der Hälfte. Wir hatten jedoch die Idee, die Dirk, eine Leine, mit der man den Baum anheben kann, abzunehmen, und befestigten eine Tasche mit dem Schmiermittel daran. Franz zog das hoch, schmierte oben, und schon ging die Genua wieder „wie geschmiert“ rein und raus. Als wir ihn dann wieder runterließen, beschwerte er sich schon bitterlich, dass ihm sein bestes Teil furchtbar wehtut, weil genau im Schritt der Gurt der Rettungsweste mit der Sicherungsleine straff gezogen war. Ein bisschen musste er noch aushalten, aber dann war er glücklich wieder unten.

Und weil`s gerade so schön windstill war, und auch keine Wellen in diese schöne Bucht liefen, probierten wir noch unsere Fock aus. Wir haben nämlich neben der Genua und dem Hauptsegel noch eine Sturmfock, und eine normale Fock (also kleinere Vorsegel), die man je nach Wind und Kurs setzen kann. Hierzu wird der sogenannte Babystag, ein zweites Vorstag, an dem die Fock angeschlagen wird, hinter der Genua gesetzt. Wir zogen die Fock hoch, und begutachteten dieses. Es ist, genauso wie die Sturmfock, in einwandfreiem Zustand, und wir wissen nun, wie wir diese Segel bei Bedarf benutzen können. Leider ist unser Hauptsegel oben ausgerissen, und wir müssen sehen, dass wir es in Georgetown nachnähen lassen können, bevor wir die Exumas verlassen, und Richtung Turks und Caicos-Inseln weitersegeln können.

Als wir mittags dann zwecks fehlendem Wind im Atlantik weiter gen Süden motorten, legte Franz gerade die Schleppangel aus, mit der wir (bisher vergebens) versuchen, einen Fisch zu angeln. Ich war gerade am Ruder und sah etwas vor uns, dass dort weiße Schaumkronen auf dem Wasser auftauchten, obwohl das Wasser ringsum „ölig“ war, also nur die lange Atlantik-Welle anstand, die sich aber nicht bricht. „Was ist denn das?“, fragte ich, und wollte schon ausweichen, weil ich ein Riff vermutete. „Das sind Fische“, „schnell, fahr dahin“, kam unisono von Franz und Peter. Ich fuhr also mittenrein in einen Schwarm Fische, die von einem Räuber flüchteten. Peter und Agnes gingen nach vorne, und sahen einen großen Hai räubern. Er streckte die Rückenflosse über Wasser (wie man das vom „Weißen Hai“ kennt), und pflügte den fliehenden Fischen hinterher. Erst als unser Schiff sich näherte, tauchte er ab. Wir hofften natürlich, dass auch andere Räuber unterwegs sind, und an unserem Köder anbeißen, aber leider hatten wir auch dieses Mal kein Glück. Naja, irgendwann wird schon mal einer anbeißen.

17.03.2019 Fische, Fische, Fische

17.03.2019 Fische, Fische, Fische

Michi

In Warderick Wells gab es zwei Riffe zu erkunden, wir mussten aber noch auf das Kippen der Gezeit warten, da wieder mal der Strom zu stark zum Schnorcheln war. Ein Ammenhai und ein großer Rochen, die um Aton herumscharwänzelten, verkürzten uns jedoch die Wartezeit. Der Hai kam ganz nah an unsere Badeplattform heran, und hat uns richtig angeguckt.


Als dann der Rochen ums Schiff herum schwamm, ging zuerst Peter ins Wasser, um ihn zu fotografieren; später ging ich dann noch rein, aber da war er weg – nur noch ein Kofferfisch zog seine Bahn ums Schiff. Die Korallen an den Riffen und auch die Fische waren so vielfältig in ihren Farben und Formen, da hat die Natur richtig aus dem Vollen geschöpft. Agnes entdeckte einen schönen, großen Lobster, der sich daraufhin in einer Höhle verkroch. Man hat das Gefühl, mitten in einem riesigen Aquarium zu schwimmen. Das glasklare Wasser lässt einen alles überdeutlich erkennen, und die Sonne zaubert manch schimmernden Strahl dazwischen.

Auf unserer nächsten Insel, Staniel Cay (wo wir Lothar abgeholt und zurückgebracht haben), ankerten wir dieses Mal direkt neben einem großen Felsen. Wir haben eine App, die uns außer den Seekarten noch Informationen liefert, und dieser haben wir entnommen, dass hier die durch einen James-Bond-Film bekannt gewordene „Thunderball-Grotte“ ist. Wir schnorchelten also zum Felsen-Inselchen hinüber. Franz sah als erster einen anderen Schnorchler untertauchen, und nicht wieder zurück kommen. Sollte hier die Grotte sein? Von außen war nichts zu sehen. Also hieß es: ausprobieren. Er tauchte unter, und sah auch schon die Sonnenstrahlen durch die Decken-Öffnung der Grotte leuchten. Er tauchte wieder zurück, um mir Bescheid zu geben, und auch ich wunderte mich, wo hier der Eingang der Grotte sein soll. Also tauchte auch ich „blind“ hinein. Ich sah zwar Sonnenlicht weiter hinten, aber über mir war alles dunkel. Also tauchte ich vorsichtig auf, und hielt meine Hand nach oben, um zu fühlen, ob Luft oder Fels an der Oberfläche auf mich wartet. Es war Luft, und ich tauchte auf. Ich wurde durch eine zauberhaft schöne, geheimnisvolle Grotte belohnt. Sie war ungefähr halb so groß wie unsere Aton, oben und zur anderen Seite hin waren Durchlässe, durch die das Sonnenlicht hereinschien. Wegen der starken Strömung musste man ziemlich paddeln, aber ich fand eine Stelle, wo ich mich am Rand auf den Felsen setzen konnte. Am Schönsten jedoch war es, unterzu-tauchen. Es wimmelte von Fischen, und wir mittendrin. Ich wollte gar nicht mehr weg, so beeindruckte mich das alles. Wie viele schöne, besondere Momente haben wir jetzt schon erleben dürfen, und es werden immer mehr.

13.03.2019 Mangroven und Palmenwald

13.03.2019 Mangroven und Palmenwald

Michi

Wie schon mit Lothar, wollten wir auch gerne mit Peter und Agnes in Shrout Cay den schönen Ausflug durch die Mangroven machen. Franz blieb an Bord, und wir drei machten uns auf den Weg. Der Außenborder ließ uns nicht im Stich, und wir tuckerten durch das glasklare Wasser durch die Mangroven und genossen die ganz besondere Atmosphäre. An einer Stelle hatten wir soviel Gegenstrom, dass wir trotz Vollgas fast nicht mehr voran kamen. Aber wir kämpften uns durch, und danach ging es wieder gut weiter. Nach ca. einer Stunde kamen wir auf der Atlantik-Seite an, wo wir auf einem Hügel die Mangroven-Landschaft noch einmal von oben bestaunen konnten. Grüne, niedrige Mangroven-Büsche wechseln sich ab mit Sandebenen, die fast wie eine Wüste aussehen. Auf der anderen Seite tobt der Atlantik, und zeigt die ganze Palette von Blau-, Grün- und Türkis-Farben. Wir waren dankbar und glücklich, diese besonderen Eindrücke und Momente erleben zu dürfen.

Unsere nächste Station war Hawksbill Cay. Kaum war der Anker gefallen, gingen wir noch an einem nahen Riff schnorcheln, um dann den Abend in unserem Cockpit ausklingen zu lassen. Am nächsten Morgen wollten wir auf einem Wanderweg die Insel durchqueren. Als wir mit unserem Dinghi am Strand angelangt waren, sahen wir nicht weit entfernt zwei Kanus am Strand liegen. Ich dachte mir noch, warum dort so viele Dinge um die Kanus herum ausgebreitet sind, als Franz auch schon zu den Leuten dort hinüberging (ihr wisst ja, Franz der „gesellschaftsuchende Leute-Anquatscher“ – siehe Beschreibung der Crew). Wir gingen ihm hinterher, denn wir waren ja auch neugierig. Es handelte sich um ein kanadisches Ehepaar, die zwei Kinder dabei hatten. Die Kinder kauerten sich in den Schatten von niedrigen Büschen, und die Eltern erzählten uns, dass sie mit den Kanus (!) in den Exumas unterwegs sind. Der Mann war total von der Sonne verbrannt, und ich konnte es gar nicht fassen, wie man sowas machen kann. Je nach Wind und Strömung gibt es schon manchmal ganz ordentliche Wellen, die wir mit unserer Aton einfach so durch-pflügen – aber mit einem Kanu? Und wenn einer mal unter der Fahrt aufs Klo muss? Nie eine Dusche? Nie ein Bett? Nie ein Dach über dem Kopf? Ich war echt platt – und so froh, dass wir unser Heim dabei haben.

Der Wanderweg war übrigens sehr schön; es ging durch einen schattigen Palmenwald (diesmal ohne Mosquitos). Wir bestaunten die Pflanzen und Geckos, und die Aussicht.

An der Atlantik-Küste stürzten wir uns an einem kilometerlangen, einsamen Strand wagemutig in die Brandung. Wir stellten uns vor, wie auf der anderen Seite des Atlantiks, in Frankreich, Portugal oder Spanien, derselbe Strand wahrscheinlich von Hotels zugebaut, und von Touristen bevölkert wäre. Zwar nimmt auch in den Exumas der Tourismus zu, wie man uns gesagt hat. Von Jahr zu Jahr kommen mehr Boote und Jachten, aber trotzdem widerstehen die Menschen hier der Gier nach dem schnellen Dollar. Es gibt kaum Hotels, kaum Geschäfte und Restaurants, und vor allem im Exuma Nationalpark wird sehr auf die Umwelt geachtet. Hoffentlich bleibt das noch lange so.

10.03.2019 Paradiesischer Ankerplatz in Saddle-Cay

10.03.2019 Paradiesischer Ankerplatz in Saddle-Cay

Aton:

Nachdem der Wind heute und morgen ideal für unseren Kurs in die nördlichen Exumas war, wollten wir so viel Strecke wie möglich machen. Wir starteten also erneut, und dieses Mal klappte alles wunderbar. Man muss wissen, dass Peter und Agnes einen ganz großen Anteil daran haben, dass Franz und Michi überhaupt segeln. Nach vielen Segelausflügen mit ihrer Albatros auf dem Ammersee, nahmen sie die ganze Familie Heimann auf deren ersten Charter-Törn nach Kroatien mit.
Der Rest ist hier auf der „Story“ nachzulesen. Somit musste ich mich also besonders anstrengen, um einen möglichst guten Eindruck zu hinterlassen. Schließlich wollte ich Michi und Franz ja nicht blamieren. Ich legte mich also geschmeidig in die Wellen, und holte so um die beständigen 6 bis 8 Knoten raus. Prompt meinte Peter, ich laufe sehr gut, und auch Agnes fühlte sich sichtlich wohl, denn sie verschlief einen guten Teil des Tages auf dem Vordeck, oder im Cockpit. Die beiden finden mich „gemütlich“ und sind mit ihrer Gästekabine und dem Gästebad sehr zufrieden. Wir machten noch einen Tankstopp, wo meine Diesel-, Benzin, und Wasservorräte aufgefüllt wurden. Dann ging es  bis zum Abend weiter nach Rudder Cut Cay, wo wir eine ruhige Nacht inmitten einiger anderer Jachten hatten. Am nächsten Morgen wollte meine Crew gerne den Sonnenaufgang auf See erleben, weswegen um fünf Uhr schon Betriebsamkeit herrschte. Wir legten ab und glitten in den Atlantik, von absoluter Dunkelheit und einem zigtausendfachen Sternenglitzern umgeben. Schon bald war ein leichtes Morgengrauen zu erahnen, und meine Crew war ganz hingerissen von dieser Stimmung. Das Wasser leuchtet dann silbrig-grau, der Horizont, erst nur erahnbar, schält sich langsam aus dem Dunkel der Nacht, und es herrscht eine absolute Stille und Ruhe. Nur das Rauschen der Wellen und des Windes – einfach nur schön. Da macht das Leben als Segel-Jacht richtig Spaß! Wir nutzten den Ost-Wind, um ganz im Norden der Exumas, in Saddel-Cay zu ankern. Von dort können wir jetzt gemütlich wieder Insel-hüpfender Weise zurück bis nach Georgetown. Obwohl wir hier bereits am 06.02. mal waren, und bereits da bei der engen Einfahrt die Nerven meiner Skipper zum Zerreißen gespannt waren, ob die Wellen an der engen Einfahrt eine ausreichende Tiefe unter sich haben, war es auch dieses Mal wieder genauso. Wir hatten zwar weitaus weniger Welle und Wind als letztes Mal, aber die Gezeiten-Strömung gegenan. Außerdem schaute es wirklich genau so aus, als würden spitze Felsen unter den Wellen rausschauen. Aber entgegen drei sehr skeptischen Meinungen (Peter sagte danach, er wäre da nicht reingefahren) erinnerte sich Franz an das letzte Mal, und gab einfach Gas. Augen zu und durch. Es ging alles gut, mein Bauch passte durch, und Peter und Agnes trauten ihren Augen nicht, als sie den türkisblauen Riesen-Pool sahen, durch den wir jetzt glitten. Wir ankerten an derselben Stelle wie letztes Mal, und waren alle zusammen wieder vollkommen verzaubert von diesem Traum-Ankerplatz. Obwohl Michi vor der Strömung hier warnte, sprangen alle sogleich in das kristallklare, hellblaue Wasser, um sofort festzustellen, dass man bestenfalls auf der Stelle bleiben kann, wenn man kräftig schwimmt.

Michi
Wir wollten an den Felsen, die den Ankerplatz gegenüber der Insel einrahmen, ein bisschen schnorcheln, und gleichzeitig dort unseren Lobster-Fangkorb, welchen wir mit Katzenfutter bestückt haben, ausbringen. Tatsächlich war dort ein kleines Riff, mit schönen Korallen und Riff-Fischen. Als wir für den Rückweg alle wieder im Dinghi waren, versuchte Franz den Motor anzuwerfen, aber der wollte partout nicht anspringen. Was nun? Rudern mit vier Leuten gegen den immensen Strom geht nicht, zurück zum Schiff schwimmen geht wegen des Stromes auch nicht. Franz ruderte mit dem Leichtgewicht Agnes aus Leibeskräften, und schaffte es auch mit letzter Kraft, das Schiff zu erreichen. Peter und ich überlegten, wie wir jetzt zum Schiff kommen. Peter hatte den Einfall, dass wir mit unseren Flossen quer über den Strom zur anderen Seite auf die Insel schwimmen können, dort am Strand entlang Richtung Schiff laufen, um dann mit dem Strom zum Schiff zu schwimmen. Schlimmstenfalls werden wir abgetrieben, und müssen halt dann irgendwie barfuß die Insel entlang laufen, dachten wir uns. Also wagten wir es. Im Eifer des Gefechtes verlor ich gleich am Anfang meinen Schnorchel, und Peter hatte sowieso seine Taucherbrille ins Dinghi geworfen. Es ging aber alles gut (Lob sei meinen vielen Stunden Schwimmtraining im Triathlon-Verein), und wir kamen auf der anderen Seite an, ohne allzuviel abgetrieben zu werden. Unser Plan ging auf, und wir erreichten unser Schiff von der anderen Seite her. Franz hatte sich schon an die Fehlersuche des Außenborders gemacht. Schnell war die Ursache gefunden: da ein professioneller Ersatztank mit Pumpe fast 200,00 $ kosten, hatten wir unser Ersatz-Benzin in einer 1 Gallone-Plastik-Flasche abgefüllt. Diese hat sich wohl vom Kraftstoff teilweise aufgelöst, und die Harze haben nun den Vergaser verklebt. Franz und Peter bauten den Vergaser aus, reinigten ihn, und schon lief der Motor wieder.

Da wir uns am absolut schönsten Ankerplatz der Exumas befanden, beschlossen wir, unsere für diesen Zweck teuer eingekauften Steaks (2  große Stück für knapp $ 40,00) zu opfern, und am Strand ein Lagerfeuer zu machen. Franz hatte bei Peter einen Grillrost „bestellt“, und auch prompt einen geliefert bekommen. Wir sammelten Holz, entfachten ein Feuer, und während dieses runterbrannte, erkundete ich mit Agnes den Rest der Insel. Über den Hügel (eine mit Palmen bewachsene Sand-Düne) gelangte man zu einem anderen Sandstrand, und von dort zur Atlantik-Seite der Insel. Auf einem weiteren Hügel sahen wir, dass es auch ein paar Häuser gab. Wahrscheinlich Ferien-Häuser, da es hier ja weit und breit außer Natur pur und Traum-Stränden nichts gibt. Wieder zurück am Lagerfeuer ließen wir uns während des Sonnen-Untergangs unsere butterweichen Steaks mit Kartoffel-Salat schmecken. Es war ein Gedicht! Wegen des hohen Preisniveaus für Lebensmittel steht Fleisch nur noch ab und zu auf unserer Speisekarte, und so leckere Steaks hatten wir schon ewig nicht mehr bekommen. Dazu der laue Abend und die traumhafte Bucht; wir waren alle vier absolut selig.

09.03.2019 Der Tag der Umkehr

09.03.2019 Der Tag der Umkehr

Franz:

Nach einem gemütlichen Frühstück mit den mitgebrachten Köstlichkeiten fuhren Agnes und Michi zum Einkaufen. Auf meinen Vorschlag (den ich einige Tage vorher gemacht hatte), genügend Rum zu kaufen, hatte ich bereits die die Antwort bekommen, dass dieser sicherlich reiche. Agnes war ganz schön schockiert von den mehr als gesalzenen Preisen. Vor allem die enorm teuren Weine (unsere Gäste sind sehr gute Weinkenner) führten dazu, dass alkoholhaltige Getränke vom Einkauf ausgenommen wurden. Während unsere Damen den Supermarkt durchshoppten, begannen wir Männer, das Schiff auslauffertig zu machen. Wir gingen zuerst das Rigg (Mast, Baum, Stagen, Wanten ect.) und die Segel durch. Anschließend widmeten wir uns dem Anker. Dabei bemerkte Peter unsere Ankersicherung (ein, durch die Ankerkette geführtes Seil, das am Schiff als Zugentlastung befestigt wurde). Wir schwelgten genüsslich in Erinnerungen an vergangene Segeltörns mit Freunden, bei denen unerfahrene Mitglieder unserer Crew diese Ankersicherungsleine beim Einholen nicht gelöst hatten. Das Resultat war, dass sich die Leine mit der Ankerkette und der Ankerwinsch verknotet hatte, und wir im Anschluss unsere liebe Not hatten, das Dilemma wieder zu lösen. Nachdem wir alle Leinen klargemacht und alle Luken geschlossen hatten, kamen auch schon Michi und Agnes vom Einkauf zurück. Wir räumten das Mitgebrachte in Kühlschränke, Staufächer und Gemüsenetze (Fahrtensegler verstauen Obst und Gemüse in einer Art Hängematte, da diese dort gut durchlüftet sind und weniger Druckstellen erfahren). Dann waren wir endlich abfahrbereit. Michi stand am Ruder, Peter und ich bedienten den Anker. Nachdem der Motor gestartet und das Getriebe in Vorwärtsfahrt gebracht wurde, zeigte ich unserer Rudergängerfrau die Richtung an, in welcher die Ankerkette lag. Während sich unser Schiff mehr und mehr der Stelle näherte, an der unser Anker lag, holte unsere Ankerwinsch Meter für Meter die Kette in den Ankerkasten. Plötzlich blockierte die Ankerwinsch. Ich gab Michi das Zeichen, aufzustoppen. Wir fierten die Kette etwas (Kette nachlassen) und starteten den Vorgang nochmals. Nach wenigen Metern stoppte die Winsch abermals. Peter und ich sahen uns an und überprüften zügig den Kettenmechanismus. Und da sahen wir auch schon das Problem. Wir hatten unsere Zugentlastung vergessen zu öffnen. Somit war exakt das passiert, was sonst nur unerfahrenen Seglern passiert (s. o.). Nachdem wir uns kurz über unsere eigene Dummheit geärgert hatten, lösten wir unser Problem, bargen den Anker und fuhren zügig aus dem Feld von Ankerliegern. Der Wind hatte so zugenommen, dass der Tag sportliche Segelbedingungen versprach. Einzig die aufkommende Bewölkung machte mir etwas Bedenken. Da wir aber eh nur eine relativ kurze Strecke (ca. 20 SM) segeln wollten, um zu Tanken und unseren geplanten Ankerplatz anzulaufen, bestand formell kein Grund zur Sorge. Also nichts wie raus ins Fahrwasser. Sobald es das umliegende Gewässer zuließ, drehte ich (wir hatten die Plätze getauscht und ich war Rudergänger) in den Wind. Peter und Michi setzten das Großsegel. Sobald das Segel durchgesetzt und das Großfall gesichert war drehte ich das Schiff in die gewünschte Richtung. Die Großschot wurde gefiert und der einfallende Wind (er hatte mittlerweile deutlich die 20 Knoten überschritten) blähte unser Segel. Mit guten 6 Knoten Fahrt nur unter Großsegel stellte ich unseren Diesel ab. Wir alle genossen die plötzlich eintretende Ruhe. Als nächstes setzten wir die Genua. Die Geschwindigkeit unserer Aton nahm beträchtlich zu. Nun hieß es, gut zu manövrieren. Die teilweise recht engen Fahrgewässer, eingegrenzt durch Sandbänke, Riffe und Felsen, machten das Segeln zur Herausforderung. Zuerst ging es auf halben Wind Richtung Norden. Dann zeigte mir mein Plotter (ein GPS-gestütztes Gerät mit Gewässerkarten und etlichen Zusatzfunktionen) an, dass das Fahrwasser nach Backbord schwenkt. Dies bedeutete für mich den Kurs neu zu setzen und mehr Raumschot (Windeinfall achterlicher als querab, grins) zu segeln. Im weiteren Kursverlauf war mir klar, dass wir halsen mussten (Kursänderung, bei der der Wind von hinten, achtern durchläuft, was dazu führt, dass der Großbaum von einer zur anderen Seite durchschwenkt). Ich teilte dies meinen Mitseglern mit. Da aber mittlerweile der Wind beträchtlich zunahm und gleichzeitig ein enormer Regenguss über uns herfiel, beschlossen wir, unsere Segelanzüge und Rettungswesten anzulegen. Während sich unsere Mitsegler anzogen und Michi unter Decks meine Segeljacke hersuchte, krachte über uns ein Gewittersturm. Vollkommen durchweicht stand ich nur mit Badehose und T-Shirt bekleidet am Steuer und versuchte die Gläser meiner Brille so zu schützen, dass ich etwas sehen konnte. Wir rauschten mit über 8 Knoten Fahrt die enge Fahrrinne entlang. Der Abstand zu unserem nächsten Kursänderungspunkt verringerte sich auf- grund des Tempos dramatisch schnell. Falls es uns nicht rechtzeitig gelänge, mittels einer Halse unseren Kurs zu ändern, würden wir auf das nahe Riff auflaufen. Die immer stärker werdenden Windböen versetzten unseren Rumpf ins Luv (dem Wind zugewandte Seite) und ließen das Rigg von Aton erzittern. Nach jeder durchlaufenden Böe musste ich mit aller Kraft das Ruder herumreißen und den Kurs korrigieren. Nach einer gefühlten Ewigkeit waren meine Mitsegler angekleidet und mit Rettungswesten sowie Life-Leine im Cockpit. Einzig Michi war noch unten im Salon. Ich machte Peter und Agnes auf die bevorstehende Halse aufmerksam. Sekunden später waren alle auf Position. Peter an der Großschot, Agnes an der Vorschot, ich am Ruder. Nachdem jeder sein „bereit zum Manöver“ meldete, kam die Ansage „Rund Achtern“. Das Manöver hätte keine Minute später erfolgen dürfen, da das Riff bereits zum Greifen nah war. Ich drehte das Ruder im Uhrzeigersinn. Langsam begann Aton sich nach steuerbord zu drehen. Peter holte die Großschot dicht, die Genua begann in sich einzufallen. Plötzlich der Scheitelpunkt, der Großbaum knallte von backbord nach steuerbord, aber dank der Arbeit Peters an der Schot war der Schwoiraum des Baumes derart verkürzt, dass sich der Ruck am Tauwerk in Grenzen hielt. Aber was war mit der Genua passiert? Während unser aller Aufmerksamkeit auf die Großschot gerichtet war, hatte sich die Genua nicht wie geplant hinter der Vorstag durchgeweht, sondern wehte nun vor dem Vorstag und ließ sich deshalb nicht mehr mit der Vorschot dichtziehen. Nach mehreren Versuchen, es doch noch zu schaffen, kamen wir zu dem Schluss, eine weitere Halse zu machen, um das Vorsegel zurückwehen zu lassen. Also wieder alle Mann an die Posten, Peter an der Großschot, Agnes an der Vorschot und ich am Ruder. Als wir nun gerade dabei waren, das Vorsegel in die richtige Position zu bringen, um auf den angepeilten Kurs zu gehen, kahm eine sehr starke Windböe und fuhr dermaßen in unsere Genua, dass die Steuerbord-Vorschot trotz Achterknoten durch die Umlenkrolle gezogen und um unser Schiff gepeitscht wurde. Somit waren wir nun ohne Vorsegel. Damit war für mich klar, dass wir unser Segelvorhaben für heute beenden mussten. Wir bargen so gut es ging die Segel und fuhren mit dem Motor zurück zu unserem Ausgangspunkt.

Michi

Als ich unter Deck beschäftigt war, neigte sich Aton plötzlich stark zur Seite. Geschirr schepperte in den Schränken, und ich versuchte, mich so gut es ging festzuhalten. Dies geht in unserem Salon recht gut, da die Laufwege durch die Rückseite der Sitzbank, bzw. durch die Hinterseite unserer U-Küche seitlich begrenzt sind. Ich dachte mir nichts dabei (weiß ich ja aus Erfahrung, dass eine solche Schräglage entsteht, wenn Segel gesetzt werden), als plötzlich die gleiche heftige Schiffsbewegung in die andere Richtung einsetzte. Als ich ins Cockpit kam, sah ich unser Vorsegel „führerlos“ vor dem Vorstag schlagen. Außerdem regnete es plötzlich so heftig, dass ein Sturzbach durch den Niedergang in den Salon hereinlief, und der Rest der Crew auf Deck schon pitschnass war. Ich versuchte schnell, die Wasserpfütze aufzuwischen, und gesellte mich dann zu den anderen ins Cockpit. Wir beschlossen, die Segel zu bergen, und zurückzufahren, da wir ohne funktionierendes Vorsegel, und bei starkem Wind und Regen, auf dem Atlantik  schlechte Karten hätten. Also wieder zurück zur Westseite von Stocking Island. Der Regenguss hörte genauso schnell wieder auf, als er begonnen hatte. Wir suchten uns einen schönen Ankerplatz und beschlossen, den angefangenen Tag mit einer Exkursion auf der Insel fortzusetzen. Also alle Mann ins Dinghi, und an den nahen, wunderschönen pudrig-weißen Sandstrand gefahren. Von dort ging ein Pfad in den Palmenwald, der vielversprechend aussah. Als wir gerade 100  Meter gegangen waren, realisierten wir den Angriff einer ganzen Horde von Mosquitos. Sie saßen schon auf Peter`s Arm, und ich war bereits einige Male gestochen. „Schnell zurück zum Strand“, sagte ich, und wir rannten wieder zum Strand, wo aufgrund des Windes keinerlei blutrünstiges Krabbelgetier zu finden war. Wir sind ja flexibel, also gingen wir am Strand und der Küste ein Stück die Insel entlang.