Aton bewährt sich, Teil 2

Aton bewährt sich, Teil 2

Franz
Hier muss ich für unsere nichtsegelnden Leser die Situation erklären. Der Mast eines Segelschiffs wird durch vier Befestigungspunkte über Kreuz auf dem Schiff fixiert. Der Mastfuß steht lediglich in einer kleinen Hülse auf Deck. Die eigentliche Befestigung des Mastes geschieht über sehr straff gespannte Stahlseile. Die seitlichen Stahlseile werden als Wanten bezeichnet, die vorderen und hinteren als Vorstag und Back- oder Achterstagen. Sollte eines dieser Seile brechen, verliert der Mast sofort seine Stabilität. In diesem Moment besteht akute Gefahr, dass dieser samt allen Aufbauten und Segeln umfällt. In unserem Falle hätte das geheißen, dass der Mast ins Cockpit fällt, und uns ggfs. erschlägt.

Von diesem Moment der Erkenntnis an, lief alles wie in einem Film ab und wir funktionierten nur noch. Als erstes riss ich das Ruder herum, um das Schiff vor den Wind zu bekommen. Somit wurde der Mast nach vorne gedrückt, was den beschädigten Vorstag entlastete und die Backstagen durchsetzte. Der Autopilot hielt nun ATON selbständig auf diesem Kurs. Als nächstes galt es, das wild um sich schlagende Vorsegel zu bergen. Michi ging an die elektrische Winsch und ich klickte mich in die Sicherungsleine ein, um sicher auf dem Vordeck arbeiten zu können. Inzwischen hatte es begonnen, stark zu regnen und der Wind frischte deutlich auf. Außerdem wurde es mit jeder Minute dunkler. Vorne angekommen, kroch ich zur Reffeinrichtung der Genua in die Bugspitze. Dabei wurde ich unablässig von den immer noch wild schlagenden Genuaschoten gepeitscht. Ich versuchte, die Seilrolle der Reffeinrichtung mit meinen Händen zu unterstützen. Michi hatte inzwischen die Winsch mit der Reffleine belegt. Nach einigen Sekunden rutschte jedoch die Leine aufgrund der hohen Kräfte durch. Diese entstanden dadurch, dass die obere Führung, also die Verbindung des Stages mit dem Mast, nicht mehr vorhanden war. Michi versuchte nun, die Reffleine auf die deutlich größere Genuawinsch zu legen. Dabei unterlief ihr im Eifer des Gefechts ein Fehler, und die Seilbremse, die immens unter Zug stand, sprang plötzlich aus der Verankerung.

Dennoch gelang es uns nun langsam, die Genua Stück für Stück einzurollen. Durch das wilde Umherschlagen hatte sich die Backbordschot, trotz Achterknotens am Ende, aus der Seilführung befreit und sich mit der Steuerbordschot in ein Gewirr aus Knoten und Leinen vertörnt. Dies barg die Gefahr, dass die losen Leinen ins Wasser fallen und sich in der Schraube verfangen könnten. Während Michi verschte, die Schoten zu bergen und die Knoten zu lösen, musste ich eine Lösung finden, den Mast möglichst schnell nach vorne zu stabilisieren. „Der Babystag“!, fuhr es mir in den Sinn. Gottseidank hatten wir diesen zweiten, kürzeren Vorstag für das Sturmsegel am Mast montiert. „Schnell, hol mir die Spannvorrichtung für den Babystag aus der Backskiste.“, schickte ich Michi ins Cockpit. Währenddessen löste ich das Babystag vom Mast und brachte es in Position, als Michi mir auch schon, auf allen vieren auf dem schaukelnden Deck kriechend, die Spannvorrichtung brachte. Gemeinsam gelang es uns, die Führungsbolzen in dem wild auf und ab stampfendem Schiff zu befestigen. Nach wenigen Umdrehungen spannte sich das Seil. „Uff. Das Rigg ist erstmal gerettet.“. Dennoch befestigte ich zur Sicherheit das Spinnakerfall, eine Leine, die von der Mastspitze kommend zum hissen eines sehr großen Vorsegels gedacht ist, an unserem sehr stabilen Bugkorb. Dieses spannte ich anschließend mit der Winsch straff durch.

Michi
Da ich weder die losen Achterstagen, noch den schwankenden Mast gesehen hatte, war mir das komplette Ausmaß der Gefahr, in der wir uns befanden hatten, gar nicht richtig bewusst geworden. Erst als wir beide wieder im Cockpit waren und uns von diesem Schreck erholten, erklärte mir Franz, dass wir gerade knapp daran vorbeigeschrammt waren, unseren Mast zu verlieren. Hierzu muss man wissen, dass fast jeder Katamaran und auch sehr viele Mono Hulls lediglich eine Want auf jeder Seite haben. Dies hätte in unserem Fall unweigerlich dazu geführt, dass der Mast ins Cockpit gefallen wäre. Lediglich die Tatsache, dass unser Rigg extrem stabil ist, hat uns gerettet. Wir haben nämlich auf jeder Seite vier Wanten, die auch noch sowohl nach vorne, als auch nach hinten abspannen. Somit wurde ein großer Teil der Kräfte des gebrochenen Vorstags von den Wanten aufgenommen. Wieder einmal hatte sich unser Schiff als ausgesprochen stabil und sicher erwiesen. Ich meldete nun unsere Probleme per Funk an das Mutterschiff unseres Konvois. Der Skipper, Mat, wies uns an, bis vor die Marina in Carriacou durchzusegeln, und dort auf die anderen Schiffe zu warten.

Nachdem ich jedoch einige Male das immer noch lediglich am Fall hängende Vorstag wild umher baumeln sah, bat ich Franz: „Lass uns doch bitte versuchen, die Genua komplett aufs Deck zu legen, sonst geht sie uns noch ganz kaputt.“. Gesagt, getan. Wir fierten das Fall und ließen das Vorstag langsam herunter. Dabei verfing es sich jedoch erst einmal in der Backbord Backstag. Nach einigen Versuchen gelang es uns, sie außen vorbei zu führen. Endlich lag sie nun längsseits auf dem Deck und wir befestigten sie mit einigen Leinen an der Reling. Da es jedoch erheblich länger als unser Schiff ist, ragten einige Meter, wie bei einem Langholztransporter, über das Heck hinaus und wippte dort im heftig Rhythmus der Wellen.

Dieses Bild entstand am nächsten Morgen, kurz vor der Einfahrt in die Marina in Carriacou.


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