Michi
Sofort fingen wir an, nach Flügen zu suchen und fanden einen über New York mit einer Zwischenübernachtung. Aber kaum hatten wir eine Unterkunft in Flughafennähe gefunden, sahen wir, dass es für Schengen-Staats-Angehörige nicht möglich war, auch nur im Transit (also auch wenn wir das Flughafengebäude gar nicht verlassen) durch die USA zu reisen. Dann fanden wir einen Flug über Toronto, bei dem wir 16 Stunden (!) Aufenthalt im Flughafen hatten. Mangels Alternativen buchten wir ihn zähneknirschend. Franz sollte schon eine Woche früher nach Grenada fliegen, um nach der dort vorgeschriebenen Quarantäne von 7 Tagen in einer vorbestimmten Unterkunft die Zeit zu nutzen, um auf der Nachbarinsel Carriacou nach Aton zu sehen. Simon gab schon mal seine Ersatzteil-Bestellung durch, für Teile, die Franz mitbringen sollte. In den nächsten Tagen wurde zuerst Franz`, dann auch Reni`s und mein Flug plötzlich storniert. Wegen steigender Corona-Zahlen wurden die kanadischen Grenzen von heute auf morgen geschlossen. Also fing die Suche wieder von vorne an. Nach Grenada gingen keine anderen Flüge mehr, also dann eine andere Insel. Die französischen vielen weg, weil es für Simon und Rachel als Brexit-Engländer zu schwierig war, dort einzuklarieren. Vielleicht nach Sint Maarten? Dort, ergaben unsere Nachforschungen, müssten wir nur einen PCR-Test vorlegen und auf Simon und Rachel warten, die nach ihrer zweiten Impfung in Grenada raufsegeln wollten. Wir fanden auch einen Flug über Amsterdam, und schon war er gebucht. Franz war wieder einmal unser Retter, weil er Zeit hatte, sich um all die Dinge zu kümmern, die wir jetzt noch regeln mussten, während Reni und ich versuchten, unsere Arbeit fertig zu bekommen.
Dann der nächste Schock: Ausgangssperre bis 5 Uhr früh, auch für Shuttle-Fahrten zu touristisch begründeten Flügen. Wie soll das gehen, wenn wir um 5 Uhr schon am Flughafen sein sollen, da wir um 7 Uhr losfliegen? Wirklich touristisch war unsere Veranlassung ja aber auch wieder nicht. Wir fragten Simon und er schickte uns ein offizielles Schreiben, dass wir seine dringend benötigte Crew sind, die ihm zu Hilfe kommt.
Coronatechnisch mussten wir einen PCR-Test, der nicht älter als 72 Stunden sein durfte, vorweisen. Plus ein Formular der Regierung von Sint Maarten online ausfüllen, in dem wir das Test-Ergebnis hochladen mussten, das auch wiederum bis zu 48 Stunden auf sich warten lassen kann. Die Bearbeitung dieses Formulars kann auch bis zu 12 Stunden dauern, und im Moment des Eincheckens sollten wir dann alles parat haben. Sportlich, bei diesm knappen Zeitfenster durfte nichts schiefgehen.
Simon wartete unterdessen auf ein schon ewig bestelltes Ersatzteil für seinen Generator, das in Puerto Rico hängen geblieben war. Zufällig hatte ein anderer Segler das exakt gleiche Teil auch bestellt und bekommen, und trat ihm dieses ab, da er keine Zeitnot hatte.
Als der Vulkan in St. Vincent ausbrach und die ganze Gegend in eine Rauch- und Aschewolke hüllte, waren wir froh, dass der Toronto-Flug nicht geklappt hatte, denn jetzt flog keine Fluglinie mehr nach Grenada. Tja, da stellte sich mal wieder heraus, dass alles so kommt, wie es soll, gell?
Reni und ich rödelten wie die Irren im Büro, auch am Wochenende und feiertags. Wir arbeiteten alle unsere Arzt-Termine ab und Franz kümmerte sich um all die Ersatzteile, Medikamente und Dinge, die wir sonst noch so brauchten. Nach und nach kam der Abflugtag immer näher und wir hatten ständig das Gefühl, dass der vor uns liegende Berg irgendwie nicht kleiner wird. Wir mussten oft an 2018 denken, als wir Deutschland nicht nur für einige Wochen, sondern auf unbestimmte Zeit verlassen hatten. Unglaublich, was wir da in der Vorbereitung alles erledigt und geschafft hatten.
Simon und Rachel arbeiteten genauso hart. Rachel machte Inventur und erstellte ellenlange Excel-Listen mit den vorhandenen Medikamenten und Lebensmitteln. Wir überlegten uns Gerichte für leichte, mittlere und schwere Wetterlagen und erstellten einen Einkaufsplan. Das war für 5 Personen und ca. 4 Wochen schon herausfordernd. Gut, dass die beiden das auf der Route Kanaren – Karibik schon einmal gemacht hatten und ein bisschen Erfahrung hatten.
Simon kümmerte sich um die möglichen Routen und checkte die Hauptwetter-Bedingungen. Er ließ die Princess durchchecken: das Rigg (also die Aufbauten), den Autopilot (der uns über die meiste Zeit steuern sollte), und die Hauptmaschine wurden geservicet, der Generator mit dem glücklich erstandenen Ersatzteil repariert und alle Systeme und auch vor allem die Sicherheits-Ausrüstung geprüft. Das ist die Rettungs-Insel, die erst vor kurzem überholt wurde:
Immer wieder wurde alles aufgerissen und wieder eingeräumt – wir wussten genau, wie das abläuft und wie viel Arbeit das war.
Dann der nächste Schock: Reni`s Papa wurde mit einen Zucker-Schock und leichtem Herzinfarkt ins Krankenhaus eingeliefert. Es sah gar nicht gut aus und man konnte ihn natürlich nicht besuchen. Wieder war ein großes Fragezeigen aufgetaucht und uns blieb nichts übrig, als erstmal abzuwarten. In den folgenden Tagen ging es ihm langsam wieder besser und Reni beschloss, auf jeden Fall mit zu segeln. Am letzten Tag vor unserem Abflug wurde er aus dem Krankenhaus entlassen und Reni konnte ihn noch einmal besuchen.
Am Tag vor unserem Abflug wurden Reni die Bordkarten für den Kanada-Flug zugesandt! Häh? Der wurde doch storniert!!?? Wir waren ratlos. Wir suchten die Mail heraus, in der uns die Absage des Flugs mitgeteilt worden war und fragten nach. Der vorher stornierte Teilflug von Toronto nach Grenada wurde spontan wieder aufgenommen und man hatte leider versäumt, uns davon in Kenntnis zu setzen. Wir waren sprachlos über diesen nicht vorhandenen Service von Opodo und die nicht unerheblichen Storno-Kosten, die sie zudem auch noch verlangten.
Zwei Tage vor Abflug machten wir den vorgeschriebenen PCR-Test und kümmerten uns um das benötigte Gesundheits-Formular für den check-in. Einen Tag vor Abflug war ich mittags endlich mit meiner Arbeit durch und hatte dann noch einen kurzen geschäftlichen Termin. Welche Erleichterung, dass ich nun alles geschafft hatte. Wir machten alle drei sicherheitshalber noch einen Schnelltest und packten die letzten Dinge ein.
Dann war es endlich soweit. Unser Shuttle holte uns und Reni ab und wir erreichten ohne Kontrolle den Flughafen. Dank unserer akribischen Vorbereitung hatten wir alle benötigten Formulare parat und das Einchecken war kein Problem. Unbeschreiblich, welcher Druck jetzt von uns abfiel. Wir hatten das unsrige getan; jetzt konnte das Abenteuer beginnen.