Gefangen im Paradies
Michi
Erst vor einigen Tagen haben wir in Dominica noch mit hundert anderen Seglern beim Barbeque getanzt, sind mit einem ganzen MaxiTaxi voller Schulkinder gefahren, haben in Roseau die Kreuzfahrtgäste in der Altstadt flanieren gesehen, und in Martinique die Touristen am Strand. Und von heute auf morgen ist alles anders. Früher schon als in Deutschland wird in Frankreich, und somit auch in Martinique, eine Ausgangssperre verhängt, sind die Grenzen für ein- und auslaufende Yachten dicht, und werden soziale Kontakte unterbunden. Wir versuchen, uns im Internet, per WhatsApp und facebook zu informieren, und es gehen Nachrichten zwischen den Seglern hin und her. Eine Insel und ein Land nach dem anderen folgt, und auf einmal realisieren wir, dass wir hier auf unbestimmte Zeit festsitzen. So gut wie keine Insel nimmt mehr Yachten an, und jeder macht sich Gedanken, wohin er soll, wenn im Juli die Hurrikan-Saison beginnt. Wir sitzen in Martinique mitten im Zuggebiet der Hurrikans, und sind deswegen auch nicht einmal versichert. Das heißt, entweder nach Norden oder nach Süden ausweichen, oder zurück über den Atlantik nach Europa. Aber wer weiß schon, was im Juli sein wird? Die Entscheidung, wohin, muss aber spätestens Ende Mai erfolgen, weil sonst das Wetterfenster für den Atlantik verpasst wird.
Wir sorgen uns natürlich auch um unsere Lieben daheim; gottseidank geht es allen gut. Meine Eltern werden von meiner lieben Schwägerin, Hilde, versorgt, und bei Daniel und Alex ist auch alles in Ordnung. Jeder versucht halt, mit der Situation so gut es geht zurechtzukommen. Marco ist in Indien ebenfalls „eingesperrt“. Gottseidank befindet er sich in einer Art Hippie-Gemeinde, die in sich abgeschlossen ist. Er wohnt mit seiner Freundin in einem Baumhaus und sie arbeiten dort mit. Zum Einkauf darf nur eine bestimmte Person, und somit sind sie dort relativ sicher.
Trotz aller Sorgen fühlen wir uns auf unserem Schiff jedoch sehr sicher und wohl. Wir leben wie auf unserer eigenen, kleinen Insel. Zuerst segeln wir wieder nach St. Pierre. Dort gibt es anfangs noch etliche Yachten in der Bucht, die aber nach und nach alle St. Pierre verlassen. Wir hören, dass in den großen Buchten von Fort de France und Le Marin im Süden hunderte Yachten liegen sollen. Dort wird die Ausgangssperre auch immer strenger kontrolliert. Man darf nur noch 50 Meter vom Boot weg schwimmen, und nur noch einzeln zum Einkaufen fahren. Erst darf man noch auf Landgang gehen, dann überhaupt nicht mehr. Wir hören, dass man z. B. in Grenada nicht einmal mehr den Hund gassi führen darf, und in St. Lucia für 7 Tage auch alle Supermärkte schließen.
So gesehen geht es uns durchaus gut. Wir machen eine wunderschöne, lange Wanderung auf dem sogenannten Sklaven-Weg, der an einem von Sklaven angelegten Wasserkanal, der um einen Berg herum führt, verläuft.
Wir können schwimmen und schnorcheln, soviel wir wollen, und auch an Land kontrolliert uns niemand. Es ist wie im Paradies – nur halt ohne die Freiheit, dieses zu verlassen.