26.03.2019 Eine unruhige Nacht

26.03.2019 Eine unruhige Nacht

Franz:

Nachdem wir die Binnenuhus verabschiedet, das eine oder andere Gespräch mit Seglerfreunden geführt, sowie uns ausreichend verproviantiert hatten konnte es losgehen.

Als erstes wollten wir unser kleineres Fock-Segel (ein Vorsegel, das in unserem Fall am Babystag gefahren wird) ausprobieren. Zu diesem Zweck nutzten wir die kurze Fahrt von Georgetown zur Moss Cay, einer sehr geschützten Bucht, nahe unseres Atlantik-Korridors. Beim Setzen des Segels zeigten sich bereits die ersten Probleme, da wir keine passende Vorschot (Haupttrimm- und Zugleine) hatten. Eine ½ Zoll starker Tampen (ein anderes Wort für eine stärkere Leine) erwieß sich als deutlich zu schwach. Wir ankerten ein letztes Mal auf Great Exuma Island. Nachdem wir die Wetterdaten geprüft hatten, entschieden wir uns, am folgenden Morgen Richtung Nordspitze von Long Island auszulaufen. Das Problem mit der Vorschot lösten wir, in dem wir die Vorschot der Sturmfock an das Fock-Segel banden.

Am Morgen des 26.03. starteten wir um 07:40 die Hauptmaschine, holten den Anker auf und motorten in Ermangelung des angekündigten Windes 27 sm nach Long Island in die Calabash Bay. Diese Bucht begrüßte uns bereits von weitem mit einem unglaublichen Farbenspiel aller erdenklichen Blau- und Grüntöne der Farbskala. Solch ein Anblick ließ in uns Wehmut aufkommen, da wir nun im Begriff waren, die Bahamas zu verlassen. Nachdem wir nahe einer Ferienanlage den Anker fallen gelassen hatten, nahmen wir zu allererst ein Bad im größten Swimmingpool der Welt. Da diese Bucht uns sehr gefiel und die Wetterfrösche den benötigten Wind erst für Übermorgen angekündigt hatten, beschlossen wir, den folgenden Tag ebenfalls hier zu verbringen. Eine Mangrovenflussmündung in der Nähe versprach uns eine aufregende Exkursion. Im Laufe des Nachmittages gesellten sich noch weitere Jachten zu uns. Die folgende Nacht lagen wir ruhig vor Anker und genossen unsere Zweisamkeit. Am nächsten Morgen fuhren wir dann mit unserem Dinghi in den besagten Fluss. Ich hatte unseren Motor betankt, Fotoausrüstung und Drohne in unseren Seesack gepackt und vorsorglich unseren Müll mitgenommen. Diesen wollten wir in einer, auf unserer Seekarte verzeichneten, Ansiedlung entsorgen. Nachdem wir die erste Strömung und einige Untiefen an der Mündung passiert hatten und flussaufwärts fuhren, öffnete sich vor uns eine malerische Landschaft. In einem Becken hatte der Fluss einen kleinen See gebildet, welcher bei Ebbe trocken viel. Das nördliche Ende dieses Sees wurde von steil abfallenden Felswänden eingerahmt, während das südliche Ufer durch Mangrovenwälder begrenzt wurde. Beim durchfahren des Gewässers achteten wir laufend auf die Wassertiefe, damit wir nicht mit dem Motor auf Grund liefen. Aus diesem Grund mussten wir den kompletten See am äußeren Ende umfahren. Einige, am Grund befestigte, Bojen zeigten uns die Fahrwasserrinne an. Nachdem wir so den See umrundet hatten, folgten wir dem Fluss weiter in Richtung der angezeigten Ansiedlung. Unser Motor kämpfte gegen die Strömung an. Quälend langsam schlängelten wir immer tiefer in die Insel flussaufwärts. Langsam machte ich mir über die Reichweite unseres kleinen Benzintanks Sorgen. Der anfangs vorhandene Wind an der Küste war nun nicht mehr spürbar, wodurch die tropische Hitze im Inselinneren uns jetzt zu schaffen machte. Schlagartig wurde uns bewusst, dass wir unsere Trinkflaschen auf der Aton vergessen hatten. Wir waren kurz davor umzudrehen, als eine Brücke unser angestrebtes Ziel ankündigte. Wir machten unser Dinghi daran fest und kletterten zur Straße empor. Aber von Häusern oder gar Geschäften war weit und breit nichts zu sehen. Wir gingen die Straße ein kurzes Stück entlang, als wir einem Radfahrer begegneten. Ich sprach ihn an, wo es hier Einkaufsmöglichkeiten gibt. Wie sich dann herausstellte, gab es nur eine kleine Bar am Fluss, an der wir vorbeigefahren sind, ohne diese zu bemerken. Ansonsten gab es nur die Clubanlage an der Küste, vor der wir unser Schiff ankerten. Bei dem befragten Herrn handelte es sich um einen amerikanischen Touristen. Er wohnte in besagtem Club und hatte sich ein Fahrrad geliehen, um ein Kolumbus-Denkmal auf einem nahen Hügel zu besichtigen. Er riet uns aber ab, dieses zu Fuß zu erreichen, da die Entfernung zu weit und die Straße dorthin zu schlecht wäre. Also entschlossen wir uns zur Rückkehr. Während der langen Rückfahrt hofften wir, dass unser Kraftstoffvorrat noch reichen würde. Nach einer gefühlten Ewigkeit erreichten wir glücklich unser Schiff. Nach unserem Mittagessen installierte ich mit Hilfe meines Neffen Michael (ohne ihn gäbe es diesen Blog nicht – an dieser Stelle vielen Dank Michi für Deinen Support) den Routentracker auf meinem Handy. Somit kann die Lesergemeinschaft ständig mitverfolgen, wo Aton sich gerade befindet.

Am Nachmittag frischte der Wind auf und drehte auf nordwestliche Richtung, obwohl unsere Wetter App eine gänzlich andere Vorhersage lieferte. Wir überlegten, ob wir für eine Nachtfahrt bis Samana Cay auslaufen sollten, entschieden uns aber wegen eines aufkommenden Gewitters dagegen. Da unsere Ankerbucht für den nun anstehenden Wind gänzlich offen lag, versprach die kommende Nacht unruhig zu werden. Ich verstärkte mit einer zweiten Leine die Zugentlastung an der Ankerkette. Nach dem Abendessen gingen wir früh zu Bett. Das aufkommende Gewitter zog zwar an uns vorbei, der Wind allerdings blies nun mit voller Wucht in die Calabash Bay. Die Wellen schaukelten unser Schiff auf. Das ständige Rollen über die Längsachse warf uns in unserem Bett von einer in die andere Ecke. Beim ständigen Auf und Ab riss das Schiff mit seinen 24 Tonnen an unserer Ankerkette. Dabei gaben die Seile der Zugentlastung ächzende Geräusche ab. Krachendes Wasser an der Bordwand, klirrende Fallen und zum Erbarmen ächzende Zugentlastungen gaben ein Stakkato an Geräuschen ab, die keinen Schlaf zuließen. Immer wieder öffneten wir die Dachluke, um nach besonders hässlichen Geräuschen nach dem Rechten zu sehen. Irgendwann fielen wir dann in einen Erschöpfungsschlaf. Plötzlich schreckten wir beide durch einen Knall hoch. Ich griff mir eine bereitgelegte Taschenlampe und rannte durch den Salon, den Niedergang hoch, aufs Vorschiff. Meine Befürchtung hatte sich bewahrheitet. Eine der beiden Leinen unserer Ankersicherung hatte der rohen Gewalt des zerrenden Schiffs nicht mehr Stand gehalten und war gerissen. Die zweite Leine war zum Zerreißen gespannt. Ich kürzte die Leine und versuchte aus den Resten eine neue Zugentlastung einzuknüpfen. Allerdings war mir vollkommen bewusst, dass diese Kräfte eindeutig zu groß für diese Bänsel waren. Als wir uns nach der Rettungsaktion wieder ins Bett begaben, war trotz unserer Erschöpfung an Schlaf nicht mehr zu denken. Ständig kreisten unsere Gedanken, ob die Sicherungsleinen hielten. Wenn sie abermals reißen, würden die ruckartigen Bewegungen des Schiffes unsere Ankerkette, Glied für Glied aus dem Kettenkasten zerren, bis die Kette verloren ginge. Jedes Ächzen, Rucken und Kreischen ließ uns hochfahren. Immer wieder öffneten wir die Kabinenluke, um nach dem Rechten zu sehen. Die Zeit kroch dahin und als der Morgen graute, machten wir uns und das Schiff fertig zum Auslaufen.


4 Replies to “26.03.2019 Eine unruhige Nacht”

  1. Hi Franz,
    solche Nächte bleiben einem lange in Erinnerung… aber es bleibt ja auch immer spannend 😀
    Daher hatten wir auf unserem letzten Törn auch einige länger Diskussionen über verschiedene Varianten der Zugentlastung.
    Wie hattest Du denn eure in der besagten Nacht „appliziert“, wie dick ist denn das gerissene Seil gewesen und hatte es sich irgendwo aufgescheuert? Nutzt ihr den standard Kettenfanghaken und habt ihr einen Ruckdämpfer?
    Es würde mich natürlich interessieren ob ihr eine gute Lösung dafür gefunden habt – ansonsten kann ich vielleicht mit ein paar Gedankengängen unterstützen 🙂

    1. Hallo Martin, da spricht ein erfahrener Segler. Also zur Erklärung; Beim Kauf des Schiffes haben wir eine Menge an Material und Segelausrüstung mitbekommen. Leider war eine vernünftige Ankersicherung nicht dabei. Im Nachhinein denke ich dass das Vorbesitzerpaar meistens Regatten gefahren sind und eher weniger am Anker lagen. Jedenfalls hatten wir in Ermangelung eines Kettenhakens (eindeutig meine favorisierte Ankersicherung) einen Bänsel durch die Kettenglieder gezogen und mehrfach durchgeschlagen. Am Ende hatten wir die Last auf 4 Bänsel verteilt. Aber ohne Zugdämpfer ist eine, sich einruckende 24 Tonnen Jacht dafür zu viel Power.

      1. Guten Morgen ihr Beiden!

        Das klingt wirklich etwas unterdimensioniert, und auch nicht so komfortabel.

        Hier mal meine Gedanken dazu:
        – Wie Du schon geschrieben hast, ein Kettenhaken (oder Teufelskralle) muss es schon sein.
        – Ich würde auf jeden Fall auf beiden Klampen belegen wollen, damit das ganze symmetrisch ist. Es gibt oftmals Kettenhaken mit einer Leine dran, das finde ich nicht so gut (wenn man direkt die Klampe belegt, dann hast Du den Wind nicht genau auf dem Bug, und wenn Du die Leine über die Rolle führst, dann hast Du immer eine unnötige Last auf der Rolle und die Leine kann sich je nach Führung aufscheuern.
        – Standardmäßig kommen die Kettenhaken mit einer etwas elastischen Leine als Ruckdämpfung. Das empfinde ich als keinen perfekten Kompromiss, da ich Bedenken bzgl. der Lebensdauer habe und die Dämpfungseigenschaften sicherlich nicht optimal sind. Besser fände ich eine Variante mit zwei Festmacherleinen in die jeweils ein richtiger Ruckdämpfer eingearbeitet ist.
        – Die Festmacherleinen sollten ausreichend lang sein, damit Haken und Ketten bei wenig Wind nicht am Bug reiben.

        -> Folglich besteht meine favorisierter Aufbau aus einem Kettenhaken oder Teufelskralle, daran angebracht ein Edelstahlring mit ausreichendem Durchmesser (ca. 70mm). An diesem zwei Festmacherleinen (je ca. 3m) mit eingearbeitetem Ruckdämpfer.

        Diese Variante ist leider etwas aufwändig und ich bin auch noch nicht in den Genuss gekommen das ganze auzuprobieren, aber ich denke, dass man so das Optimum aus Haltbarkeit und Komfort bekommt…

        Was meint Ihr dazu?

        Viele Grüße aus dem kalten München
        Martin

        1. Hallo Martin, ich bin da ganz bei Dir, was die Kettenzugentlastung betrifft. Leider bin ich weder in den Bahamas, noch in den Turks and Caicos fündig geworden, um eine ausreichend stabile Lösung unseres Problemes zu erwerben. Ich hoffe, dass uns unser Sohn bei dessen Besuch in Kürze die benötigten Komponenten mitbringen wird. Sobald ich sie habe, werde ich ein Bild davon einstellen. Viele sehr heiße Grüße aus Providenziales von Franz und Michi von der Aton

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