27.03.2019 Blauwassergespräche
Franz:
Heute möchte ich mal wieder meinen Beitrag leisten und einen Bericht posten.
Nachdem wir die Binnenuhus sicher in Georgetown am Dinghi-Steg abgeliefert hatten und uns wieder unserer Zweisamkeit zuwendeten, lernten wir in unserer allmorgendlichen Funkrunde Micha von der Samsara kennen.
Hier muss ich zum Leidwesen all meiner bayerischen Landsleute einmal einwenden, dass man als Blauwassersegler deutlich schneller Anschluss bekommen kann, als wenn man im Zug, Seite an Seite mit gefühlten hundert Passagieren, Richtung München fährt. Unsere Landsleute sind halt eher etwas zurückhaltend, was die Kontaktaufnahme betrifft!
Aber zurück zum Thema: Nachdem wir uns per Funk bekannt gemacht hatten, trafen wir uns bei einer Dose Bier, um unsere Geschichten auszutauschen. Und was man dabei erfährt, ist manchmal haarsträubend. Deshalb hier auszugsweise die Geschichte von Micha von der Samsara:
Micha´s Eltern hatten bereits eine Segelyacht. Somit wuchsen er und seine Geschwister quasi damit auf. Für Micha war sehr früh klar, dass er sich ebenfalls ein eigenes Boot kaufen würde. Allerdings wollte er, im Gegensatz zu seinen Eltern, einen Katamaran (Vor-und Nachteile der einzelnen Bootsformen werden definitiv innerhalb dieses Bloges zu einem späteren Zeitpunkt ausführlich diskutiert) kaufen. Er entschloss sich, über diverse Webseiten nach beschädigten Booten Ausschau zu halten. Nachdem er in Antigua fündig geworden war, erwarb er sehr günstig einen sturmbeschädigten Katamaran der Marke Leopard 40, Baujahr 2017 (also quasi brandneu). Die Schäden am Rumpf ( Strukturbrüche mit klaffenden Löchern inclusive Seewassereinbrüchen) reparierte er in monatelanger Arbeit. Beide Motoren zerlegte er, nachdem sie wochenlang dem Seewasser ausgesetzt waren, alleine. Wenn man, wie ich, versteht, wie die Versorgung sowie der Erwerb von Ersatzteilen auf entlegenen Inseln vonstatten geht, kann man ermessen, welche logistische, als auch finanzielle Herausforderung dies für Micha wohl gewesen ist. Schlussendlich musste er dennoch nach Deutschland reisen, um das eine oder andere Ersatzteil zu organisieren. Er ließ sein Schiff also in der bewachten Marina zurück. Als er Wochen später und vermutlich tausende Euro leichter, vollgepackt mit Ersatzteilen wieder in Antigua in der Marina ankam, stellte er fest, dass sein Schiff Opfer einer Diebesbande geworden war:
-Zigtausend Euro teuerer Generator (über hundert Kilo schwer und eingebaut), weg
-Mast inclusive Stagen und Wanten (man benötigt einen Kran, um dies zu demontieren), weg
-Navigationsgeräte (alle eingebaut, versenkt und verbaut), weg
-Einbauleuchten (die einfach geklipsten waren nicht mehr da, die verschraubten waren anscheinend den Aufwand nicht wert), weg.
Ich kann mich sehr gut in Micha hinenindenken, wenn man beim Kauf eines Lebenstraums seine Finanzen abcheckt, alles durchrechnet, alles auf eine Karte setzt, eine Menge Arbeit investiert, jeden Groschen zweimal umdreht und jede Anschaffung überdenkt und dann das!
Das nächste, was er natürlich machte: er ging zum Besitzer der Marina und meldete den Einbruch! Doch dann kam der eigentlich dicke Hammer. Der Chef der Marina tat dies mit einem Schulterzucken ab, nach dem Motto: hättest mal nicht dein Boot verlassen. Auf den Hinweis, manche Bauteile könne man ohne schweres Gerät garnicht ausbauen, ging er garnicht ein. Und, last but not least, ließ er anklingen, man könne ja seine gestohlenen Teile für umgerechnet 30.000 € zurückkaufen (was defacto einem Diebstahleingeständnis gleichkommt). Leider, so sagte mir Micha, war der Bruder des Marinabesitzers der örtliche Polizeichef! Spätestens hier muss ich einfügen, dass Antigua von den letzten Hurikans sehr stark heimgesucht wurde, was bedeutet, dass alles darnieder liegt und anscheinend ähnlich chaotische Zustände herrschen, wie in Venezuela.
Micha´s Wut kann ich nur ansatzweise nachvollziehen. Vollkommen pleite und bar jeder Hilfe von außen, alleine und umgeben von Korruption und Kriminalität. Nachdem er seine Optionen realistisch geprüft hatte, kam er zu dem Schluss: reisefertig machen, rauf auf´s Wasser und nichts wie weg! Nach einer abenteuerlichen Überfahrt, von der man ganz locker ein Buch schreiben könnte, trafen wir uns dann im trauten Kreis einiger Yachties in Georgetown.
Am Beispiel dieser Geschichte kann man als Außenstehender, so glaube ich, sehr plastisch nacherleben, welche Dramen sich tagtäglich vor unseren Augen abspielen. Ich finde es extrem wichtig, dass dieses Ereigniss erzählt wird.
Wir, jedenfalls von der Aton, wünschen Micha alles erdenklich Gute für seinen Trip und immer eine handbreit Wasser unterm Kiel.